Krise der AfD:Übrig bleibt nur Verachtung

Political Parties React To Saxony Election Results

Auch Bernd Lucke hat gern gesehen, dass die AfD mit Slogans gegen Zuwanderer bei Wahlen erfolgreich war.

(Foto: Getty Images)

Unmut allein reicht nicht: Die AfD ist von innen zerstört, weil zwei Flügel sich unversöhnlich gegenüberstehen. Die Partei wollte sich gegen Extremismus abgrenzen, doch gegen Extremismus in den Köpfen war sie machtlos.

Kommentar von Jens Schneider, Berlin

Die neue Partei Alternative für Deutschland erschien manchen Bürgern wie die Erfüllung eines Traums. Sollten sie etwa nach all den Jahren, in denen ihnen die CDU unter Angela Merkel zu modern und die FDP zu glatt geworden war, wieder eine politische Heimat finden?

Die bürgerlichen Parteien hatten eine große Lücke entstehen lassen. Immer weniger fühlte sich ein Teil des Bürgertums vertreten, der sich für die Mitte der Gesellschaft, ja für die wirtschaftlich tragende Schicht hält, aber zugleich vom Mainstream an den Rand gedrängt fühlt. Die AfD war der erste erfolgversprechende Versuch, die Lücke zu füllen.

Nun sieht es so aus, als ob der Versuch gescheitert ist. Die AfD ist von innen zerstört - und zwar unabhängig davon, wie weit der Vorsitzende Bernd Lucke geht, falls er nun sein Lager hinter sich versammeln und sich vom Rest der Partei lossagen will.

Respekt? Höflichkeit? Es geht auch um die Umgangsformen

Verflogen ist die Euphorie, mit der Tausende zu den ersten Veranstaltungen drängten im Gefühl, Gleichgesinnte zu finden in ihrem Unbehagen am Euro, aber auch an der Energie-, Bildungs- oder Familienpolitik, die sie als grundfalsch empfanden. Sie wollten den "gesunden Menschenverstand", so ein Kernbegriff der AfD, zurück ins Land bringen. So trafen sich wirtschaftsliberale und konservative Bürgerliche, derbe Nationalisten und eigenbrötlerische Egomanen. Es beglückte sie, so viele zu sein.

Vor lauter Euphorie ignorierten sie, dass da mehr trennte als verband. Auch an der Spitze, im Kreis der Gründer, war das so: Die wichtigsten Antipoden, Bernd Lucke und Alexander Gauland, begegneten einander anfangs mit Achtung, sogar Bewunderung - jetzt ist da nur noch Verachtung.

So groß war die Sehnsucht nach neuer politischer Geborgenheit, dass 20 000 Bürger sich in zwei Jahren anschlossen, viele mit Feuereifer für die Partei kämpften, oft mit fatalem Eifer. Die ersten Erfolge nährten die Zuversicht, obwohl die AfD sich schon da auf allen Ebenen entzweite. Bald wurde deutlich, dass Unmut allein nicht ausreicht.

Dem politisch heimatlosen Bürgertum fehlen die Gemeinsamkeiten. Der wirtschaftsliberale und der wertekonservative Flügel stehen für gegensätzliche Entwürfe. Zwei alte Herren wie der Co-Vorsitzende Konrad Adam und der frühere BDI-Chef Hans-Olaf Henkel kommen aus fremden Welten. Das gilt für viele in der AfD: Es genügt nicht, sich gemeinsam an den Rand gedrängt zu fühlen, wenn man an entgegengesetzten Rändern steht.

Offen für Verschwörungstheorien

Es wurde der AfD zur Last, dass viele Mitglieder sich seit Jahren vom Zeitgeist marginalisiert und doch absolut im Recht fühlen. Das Gefühl der erhabenen Einsamkeit hat sie geprägt und einen aggressiven Stil entwickeln lassen. Es fehlt die so wichtige Skepsis gegen die eigene Position wie auch die Toleranz gegenüber dem Nächsten in der eigenen Partei. So mancher ist eine AfD für sich und selten koalitionsfähig mit einem Parteifreund.

Die Unbeirrbarkeit von Lucke und vielen anderen macht Kompromisse unmöglich. Und prägt die innere Kultur: Die bürgerliche Partei hat große Schwierigkeiten mit bürgerlichen Umgangsformen. Respekt? Höflichkeit? Wer die Partei wieder verlässt, tut das auch, weil es daran fehlt. Lucke selbst spricht von "Entbürgerlichung". Wer oft Mails von AfD-Funktionären las oder den üblen Umgang auf Parteitagen erlebte, sehnt sich beinahe nach der Formelhaftigkeit in anderen Parteien. Und erinnert sich gern daran, dass Politik die Kunst des Möglichen und nicht des Rechthabens ist. Lucke hat das so wenig verstanden wie viele Wegbegleiter.

Schwer vorstellbar, dass die AfD den Riss kitten kann

Die Gründer der AfD wollten sich gegen Extremismus abgrenzen, lehnten etwa frühere NPD-Mitglieder ab. Gegen den Extremismus in vielen Köpfen sind sie machtlos, weil sie geradezu in die Partei eingeladen haben. Mit ihrem wichtigsten Slogan vom "Mut zur Wahrheit" signalisierten sie Offenheit für Verschwörungstheorien wie Ressentiments.

Zu wenig setzten sie dagegen, weil der Wunsch nach Wachstum größer war. Auch Lucke hat gern gesehen, dass die AfD mit Slogans gegen Zuwanderer bei Wahlen erfolgreich war. Allein mit dem Kampf gegen den Euro hätte die AfD nie so große Erfolge erzielt. Doch der Preis war hoch, die Populisten wurden immer stärker.

Es ist schwer vorstellbar, dass die AfD ihren Riss kitten kann - menschlich wie politisch. Die zwei Lager können nicht mehr miteinander, allein aber werden sie kaum große Erfolge haben. Das muss nicht bedeuten, dass die Partei schnell ganz verschwindet. Vor allem im Osten könnte es ihr gelingen, den diffusen Unmut einiger Bürger über den Lauf der Dinge in Wählerstimmen umzusetzen. Aber der Traum des konservativen Bürgertums von einer fulminanten Rückkehr in die Politik scheint ausgeträumt zu sein.

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