Äthiopien:Hungerbäuche waren gestern

Gerd Mueller CSU Bundesentwicklungsminister mit Naeherinnen beim Besuch der Textilproduktion JayJ

Näherinnen in der Firma JayJay Textiles in Addis Abeba.

(Foto: imago/photothek)

In Äthiopien hat sich wirtschaftlich schon viel getan. Nun kommen alle politischen Gefangenen frei - ein Sieg mutiger äthiopischer Bürger. Der Westen hat all die Jahre vornehm geschwiegen.

Kommentar von Bernd Dörries

Vor ein paar Tage hat ein äthiopischer Blogger das vergangene Jahr verabschiedet. Er sagte, das Beste an 2017 sei gewesen, dass er dieses Jahr nicht ins Gefängnis musste. In den Jahren zuvor sperrte die äthiopische Regierung Blogger, Journalisten und Oppositionelle ein und folterte sie.

Die Blogger sollen die Folterkammern bald wieder sehen können, diesmal als Besucher eines Museums. Ein solches soll der berüchtigste Folterknast des Landes werden. Es wird an die Zeit erinnern, in der es in Äthiopien noch politische Gefangene gab, an eine ferne Zeit, die noch nicht einmal richtig zu Ende gegangen ist. Die politischen Häftlinge des Landes sollen nun alle freikommen, sagt Äthiopiens Premier Hailemariam Desalegn. Es ist eine Amnestie, wie es sie nicht häufig gibt - von der man nicht einmal genau weiß, wie viele sie betrifft, wie viele in den Gefängnissen des Landes sitzen.

Zehntausende sind in den vergangenen Jahren verhaftet worden, weil sie gegen die Regierung protestierten, gegen die Bevorzugung einer Ethnie, gegen Korruption und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit.

Dass die Regierung jetzt reagiert, geschieht nicht auf Druck des Westens, der all die Jahre meist vornehm geschwiegen hat. Es ist ein Sieg vieler mutiger Äthiopier, die immer wieder für ihre Menschenrechte demonstriert haben. Sie haben der Regierung letztlich gesagt: Wenn Ihr euch nicht bewegt, bewegen wir euch aus dem Weg.

Es ist ein überraschender Schritt und ein wichtiger für die Zukunft Äthiopiens. Mehr Kommunikation, mehr Demokratie soll es nun geben, sagt die Regierung, die nicht immer demokratisch gewählt wurde. Das Land ist bisher keine lupenreine Demokratie, es gibt viel zu kritisieren. Andererseits ist die Regierung eine der wenigen in Afrika mit klarem Plan. Sie befreite das Land aus einer blutrünstigen Diktatur, lässt Fabriken bauen, Straßen und Eisenbahnlinien. Sie holte Millionen aus der Armut. Bei Äthiopien denken viele in Europa immer noch an aufgeblähte Hungerbäuche. Für die Äthiopier sind die neue Straßenbahn in Addis Abeba und die neuen Handyfabriken frische Symbole ihres Landes. Symbole, die sich nicht mit politischen Gefangenen vertragen.

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