Ärzte:Nicht mit mir

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In einer Befragung klagen Ärzte über den Spardruck in deutschen Kliniken, die problematische Situation der Krankenpfleger und die schlechte Behandlung von Patienten in Krankenhäusern. Viele Mediziner zweifeln sogar grundsätzlich an ihrem Beruf.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Jeder fünfte Arzt, der in einem Krankenhaus arbeitet, erwägt zurzeit, seinen Beruf aufzugeben. Das ist das Ergebnis einer bundesweiten Mitgliederbefragung der Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Als Gründe nannten viele der angesprochenen 6200 Mediziner, dass sie bei ihrer Behandlung zu strenge wirtschaftliche Vorgaben erfüllen müssten. Für die Patienten bleibe immer weniger Zeit. Mehr noch als ihre eigene Überlastung beschäftigt die Ärzte die Situation der Krankenpfleger. Diese müssten in vielen Häusern mit zu wenig Personal arbeiten, obwohl sie die Versorgung der Patienten sicherstellen. Das führe auch bei allen anderen Klinikmitarbeitern zu Schwierigkeiten, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Rudolf Henke (CDU). Er sprach zudem von einem "Dokumentationswahn". Jeder vierte Arzt gab an, mehr als drei Stunden am Tag mit Papieren und Organisation zu verbringen, statt sich um die Kranken zu kümmern.

In der Umfrage gab ein Arzt beispielsweise an, er wolle aussteigen, "weil schon jetzt Dinge im Krankenhaus laufen, bei denen das Wohl des Patienten den wirtschaftlichen Interessen des Hauses in unvertretbarem Ausmaß nachgeordnet wird". Um Kosten zu sparen, schickten Ärzte die Patienten etwa zu früh nach Hause. Es seien diese "blutigen Entlassungen" oder "Entlassungen in sozialmedizinisch unvertretbaren Situationen", die ihn an seinem Beruf zweifeln ließen. Auch seine Kollegen in ambulanten Arztpraxen praktizierten eine "Fünf-Minuten-Medizin", "deren Schäden ich als Krankenhausarzt täglich sehe".

Auch die Einschätzungen der anderen befragten Ärzte klingen ähnlich: "Diagnostische und therapeutische Entscheidungen werden häufig nach den Kosten gefällt", schreibt einer. Knapp die Hälfte von ihnen stufte die eigenen Arbeitsbedingungen als mittelmäßig ein, 19 Prozent als schlecht und fünf Prozent als "sehr schlecht". Nur vier Prozent der befragten Ärzte finden ihre Klinik "sehr gut".

Im Vergleich zu früheren Umfragen der Gewerkschaft arbeiten heute mehr Ärzte in Teilzeit. Ein Viertel der Klinikärzte hat seine Stunden reduziert, darunter mehr Frauen als Männer. Im Jahr 2013 waren es nur 15 Prozent. Als durchschnittliche Arbeitszeit gaben die Ärztinnen und Ärzte 51 Stunden in der Woche an, inklusive aller Überstunden.

Knapp die Hälfte der Befragten sagte, ihr Arbeitgeber rufe sie regelmäßig zurück in die Klinik, wenn sie eigentlich dienstfrei haben - oft an Samstagen oder Sonntagen. Bei 81 Prozent von ihnen komme dies ein- bis zweimal pro Monat vor, bei 19 Prozent noch öfter.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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