Ärmelkanal:Boris Johnson wird die Europäer auf Brücken bekämpfen

Straße von Dover aus dem Weltall

Ein Handout der Nasa zeigt die Straße von Dover, die mit etwa 32 Kilometer engste Stelle des Ärmelkanals.

(Foto: dpa)

Die Briten amüsieren sich über den Plan ihres Außenministers, den 32 Kilometer breiten Ärmelkanal mit einer Brücke zu überspannen. Und Johnson genießt es.

Von Cathrin Kahlweit, London

Ein alter Lieblingswitz der Briten geht so: "Nebel über dem Ärmelkanal. Kontinent abgeschnitten." Damit das nicht so bleibt und die armen Europäer näher an die Insel in der Nordsee heranrücken, haben sich britische Träumer, Politiker, Techniker und Ingenieure über Jahrhunderte hinweg schon viel einfallen lassen: eine Unterwasserstraße für Kutschen, bei der riesenhafte Schornsteine Luft in die Tiefe befördern. Eine Querung der etwa 30 Kilometer breiten Wasserstraße, die abwechselend über eine Hängebrücke und durch kurze Tunnel führt. Oder eine schwimmende Hotelstraße. Seit dem Besuch des französischen Präsidenten im Königreich am vergangenen Donnerstag ist die Idee einer modernen Brücke dazugekommen. Außenminister Boris Johnson hat sie Emmanuel Macron vorgeschlagen - und der soll zugestimmt haben. Sagt Johnson.

Wahrscheinlicher ist, dass Macron zu höflich war zu sagen: Ich glaube, das Königreich hat derzeit andere Sorgen. Der französische Finanzminister meinte jedenfalls später, man solle vielleicht erst einmal andere teure Infrastrukturprojekte in der EU fertigstellen, bevor man sich einen so megalomanischen Plan vornehme. Zumal der Eurotunnel, der Frankreich und Großbritannien verbindet, nur zu etwa 50 Prozent ausgelastet ist.

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Und so ist Johnson, der schon eine Gartenbrücke über die Themse und einen Flughafen in der Themsemündung erträumt, derzeit Ziel vieler Scherze über die Nähe zu Europa, von dem sich Großbritannien bekanntlich demnächst politisch abnabeln wird. Der Guardian witzelt in Anlehnung an ein geflügeltes Wort vom berühmten Kriegspremier Winston Churchill (We shall fight them on the beaches), "he shall fight them on the bridges", Johnson werde die Europäer auf Brücken bekämpfen. In den sozialen Netzwerken finden sich Collagen mit dem Außenminister in einem Auto, das von einer Brücke abkommt und Zeichnungen, wie zwei Fahrspuren, eine mit Links-, eine mit Rechtsverkehr, direkt aufeinander zuführen. Das neueste, nicht ganz unrichtige Bonmot über den Ärmelkanal lautet: Es wäre wahrscheinlich billiger, Frankreich auszugraben und näher an England heranzuschieben, als eine Brücke für etwa 200 Milliarden Euro über eine der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt zu bauen.

Der Ärmelkanal war in der Geschichte immer zugleich trennendes und verbindendes Element zwischen der Insel und dem Kontinent. 1066 kamen die Normannen über "La Manche", wie die Franzosen den Kanal nennen, knapp dreihundert Jahre später, im Hundertjährigen Krieg, setzte König Eduard mit einem Invasionsheer in die Normandie über. In zwei Weltkriegen war der Kanal Kampfzone und Fluchtweg zugleich.

Für Generationen von Franzosen war das "perfide Albion" jenseits der Wasserstraße eine Art Erbfeind. Der Sieg über die Nazis, die "entente cordiale" und zuletzt die EU stärkten jedoch gemeinsame Bande. Johnson hatte sicher auch das im Sinn, als er befand, zwei der weltgrößten Ökonomien sollten nach dem Brexit infrastrukturell enger verbunden werden. Außerdem genoss er es, dass er die Schlagzeilen füllte - und nicht Premierministerin Theresa May.

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