Änderung des Versammlungsrechts:Schily will Neonazi-Aufmärsche verhindern

Ein Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sieht vor, dass Demonstrationen auch dann verboten werden können, wenn "nach erkennbaren Umständen zu erwarten ist, dass in der Versammlung nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlicht oder verharmlost wird". Von Heribert Prantl.

Das von Schily geplante Verbot von Neonazi-Demonstrationen an einem Ort, der "an die Opfer einer organisierten menschenunwürdigen Behandlung erinnert und als nationales Symbol für diese Behandlung anzusehen ist", ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bereits mit dem Bundesjustizministerium abgestimmt.

Neonazi-Aufmarsch, dpa

Solche Bilder könnten nach dem Willen von Otto Schily bald der Vergangenheit angehören.

(Foto: Foto: dpa)

Die für Demonstrationen gesperrten Orte sollen von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung festgelegt werden. Sie gelten dann als geschützte Bezirke.

Über den zweiten Teil der von Schily angestrebten Gesetzesänderung wird zwischen Justiz-und Innenministerium noch verhandelt: Danach sollen Demonstrationen verboten werden können, wenn zu befürchten ist, dass dort NS-Gedankengut verbreitet wird.

Union signalisiert Zustimmung

Zu diesem Zweck will Schily Paragraf 15 des Versammlungsgesetzes ändern. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Verbotsverfügung (oder Auflagen und Beschränkungen, die für die Demonstration gemacht werden) sollen keine aufschiebende Wirkung mehr haben.

So soll offenbar das bisher vor Neonazi-Versammlungen übliche rechtliche Hin und Her verhindert werden. Nach derzeitigen Formulierungen bezieht sich diese Neuerung allerdings auf das Verbot oder die Beschränkung jedweder Demonstration, also nicht nur auf Neonazi-Umzüge.

Der Schily-Vorschlag ist enger als die verschiedentlich von der Union vorgeschlagenen Formulierungen: Danach sollten Versammlungsverbote ganz allgemein "bei Gefahr einer nachhaltigen Beeinträchtigung erheblicher Belange der Bundesrepublik" möglich sein.

Änderung seit Jahren diskutiert

Die Regelung des Versammlungsrechts hätte nach den Vorschlägen der Föderalismuskommission eigentlich auf die Länder übertragen werden sollen. Die Pläne zu einer Verschärfung des (Bundes-)Versammlungsrechts, über die seit Jahren diskutiert wird, lagen deshalb auf Eis und wurden nach dem Scheitern der Kommission wieder aufgenommen.

Schily will Neonazi-Aufmärsche verhindern

Die nun geplanten Formulierungen kommen allerdings den vielfach geäußerten Bedenken von Bürgerrechts- und Umweltschutzorganisationen entgegen, die befürchtet hatten, die Verschärfung des Versammlungsrechts könnte auf Proteste aller Art Anwendung finden. Die jetzige Textfassung richtet sich speziell gegen die Verherrlichung und Verharmlosung von NS-Gedankengut.

Eher Präzisierung denn Verschärfung

Sie ist also insoweit eher eine Präzisierung, denn eine Verschärfung des geltenden Rechts. Neu wäre in diesem Zusammenhang allerdings der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gegen das Versammlungsverbot,

Die früher diskutierten Plänen, Möglichkeiten für Demo-Verbote vor jedweder symbolträchtigen Kulisse, etwa vor dem Brandenburger Tor, zu schaffen, werden im aktuellen Gesetzesplan nicht verwirklicht.

Die so genannten befriedeten Bezirke sollen sich auf die Gedenkstätten beschränken. In der Bundesregierung geht man davon aus, dass ein weitergehendes Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hätte.

Weitere Beschränkungen angestrebt

Die Union signalisierte Unterstützung für solche Einschränkungen, die sie bereits 2001 als Konsequenz eines NPD-Aufmarsches am Brandenburger Tor gefordert hatte, der weltweit Aufsehen erregte. Sie will Verbote aber nicht auf Gedenkstätten wie das Holocaust-Mahnmal beschränkt wissen.

CDU-Partei- und Unionsfraktionschefin Angela Merkel plädierte für eine Ausweitung der um den Reichstag geltenden befriedeten Zone auf das Brandenburger Tor. Dort will die NPD am 8. Mai aufmarschieren, dem 60. Jahrestag des Kriegsendes. An diesem Tag soll das Holocaust-Mahnmal eingeweiht werden.

Der neue CDU-Generalsekretär Volker Kauder sagte, in der Unionsfraktion werde diskutiert, auf welche Weise solche "unerträglichen Demonstrationen" von Rechtsextremen untersagt werden könnten. Auch die CSU will strenge Regeln, ist aber verärgert, dass Rot-Grün frühere Initiativen der Union ablehnte. "Nicht wir unterstützten Schily. Schily schwenkt jetzt auf unsere Linie ein", sagte Parlaments-Geschäftsführer Peter Ramsauer.

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