Ägyptens Präsident Sisi bei Kopten:Weihnachtsgruß, der viel zählt

Lesezeit: 3 min

"Wir sind nichts als Ägypter": Präsident Abdel Fattah al-Sisi umarmt den Kopten-Papst Tawadros II. (Foto: Khaled Elfiqi/dpa)

Als erster Präsident Ägyptens besucht Abdel Fattah al-Sisi den Festgottesdienst der koptischen Christen in Kairos Markuskathedrale - wenige Tage zuvor hielt er eine Rede zur Reformation des Islam.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Papst Tawadros II. zelebrierte in der Nacht zum Mittwoch gerade die Weihnachtsliturgie, als ein zuvor öffentlich nicht angekündigter Besucher die orthodoxe Markuskathedrale zu Kairo betrat und den Festgottesdienst der koptischen Christen unterbrach: In schwarzem Anzug und festlicher roter Krawatte schritt niemand geringerer als Ägyptens Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi umringt von Bodyguards und Geistlichen durch das weite Schiff der 1968 geweihten Kirche und ließ sich vom Papst mit Wangenküssen begrüßen. Klatschen und Jubel übertönten die Choräle.

Er sei gekommen, um eine Botschaft der Einheit zu überbringen, ließ Sisi, selbst ein frommer Muslim, die Tausenden Gläubigen wissen. "Niemand soll fragen, was für ein Ägypter man ist - wir sind nichts als Ägypter", rief er den Gottesdienstbesuchern in einer kurzen Ansprache zu, die das Staatsfernsehen wie die gesamte Messe übertrug. Muslime und Christen feierten gemeinsam, sagte er.

Frühere Präsidenten einschließlich Gamal Abdel Nasser haben ebenfalls die Kathedrale und den koptischen Papst besucht, jedoch nicht während eines Gottesdienstes.

Bislang telefonierten die Präsidenten lieber mit dem Koptenpapst

Die Staatschefs, unter ihnen der gestürzte Hosni Mubarak, aber auch der vom Militär abgesetzte Islamist Mohammed Mursi, hatten dem Papst ihre Weihnachtsgrüße telefonisch übermittelt, aber es dabei belassen, Mitarbeiter in den Gottesdienst zu entsenden.

Ägyptens Medien sprachen daher vom ersten Besuch eines Präsidenten der Weihnachtsmesse - eine politische Geste von hoher Symbolik, die trotz des spontan und gelöst wirkenden zehnminütigen Auftritts und der frei vorgetragenen Worte Sisis so kalkuliert wie inszeniert war.

Verstärkt wurde die Botschaft durch einen Besuch Premier Ibrahim Mehlebs in der Kirche am Mittwoch, der die Botschaft des Präsidenten wiederholte: "Wir sagen nicht, dass jemand Muslim oder Christ ist, wir sagen, dass wir Ägypter sind", rief er. Sisi und seine Regierung gaben damit den Kopten das Signal, dass der Staat für ihren Schutz bürge und ihre Ausgrenzung nicht zulassen werde.

Allerdings muss sich erst zeigen, ob dies auch in konkretes politisches Handeln umgesetzt wird. In den vergangenen Jahren sind koptische Kirchen, aber auch christliche Familien immer wieder Ziel von Angriffen militanter Islamisten geworden. Am Neujahrstag 2011 starben 23 Menschen bei einem Bombenanschlag auf eine Kirche in Alexandria.

Am schlimmsten war die Gewalt, nachdem das Militär im Sommer 2013 in Kairo zwei Protestlager der Muslimbrüder gewaltsam geräumt und dabei Hunderte Menschen getötet hatte. Vor allem in Oberägypten wurden daraufhin Dutzende Kirchen attackiert.

Die koptische Kirche hatte sich früh auf die Seite des Militärs gestellt und Papst Tawadros gilt als entschiedener Unterstützer der Politik Sisis. Etwa zehn Prozent der knapp 90 Millionen Ägypter sind Christen. Während viele Kopten in dem Präsidenten den Retter der Nation sehen, missfällt einigen, vor allem jüngeren Christen, die große Nähe der Kirche zum Präsidenten.

Dieser ist zwar offenkundig von der ehrlichen Sorge um drohende Auseinandersetzungen zwischen den Glaubensgruppen getrieben. Er nutzt dies aber auch, um die anhaltend harte Repression gegen die Muslimbruderschaft zu rechtfertigen, die nach der Machtübernahme des Militärs zur Terrororganisation erklärt wurde.

Sisis Aufruf zur Reformation des Islam

In einer Rede zum Geburtstag des Propheten Mohammed am Neujahrstag vor den Gelehrten der Al-Azhar-Universität, höchste Instanz des sunnitischen Islam im Land und weit darüber hinaus, hatte Sisi die islamischen Geistlichen in die Pflicht genommen: "Wir brauchen eine religiöse Revolution, und Sie, die Imame, sind verantwortlich vor Allah", sagte er. "Die ganze Welt wartet auf Ihre Worte, denn die islamische Welt ist zerrissen, sie wird zerstört, sie geht verloren", so Sisi - "durch unsere eigenen Hände!"

Es sei unvorstellbar, dass "das Denken, das wir als heilig erachten, die gesamte islamische Welt als Quelle von Angst, Gefahr, Mord und Zerstörung für den Rest der Welt" erscheinen lasse, fuhr er fort und stellte klar: "Ich sage nicht die Religion, ich sage dieses Denken!" Es war weniger ein Aufruf zur Reformation des Islam, als ein Angriff auf die religiös unterfütterte Ideologie der Islamisten, die in Ägypten auch nach dem Verbot der Muslimbrüder Anhänger hat und im ganzen Nahen Osten Zulauf findet.

Die Staatsmedien werteten die Rede denn auch als Aufruf, "gegen irreführende Ideologien anzugehen, die dem Islam und den Muslimen weltweit schaden". Die Frage bleibt jedoch, wie viel Anziehungskraft eine moderate Auslegung des Islam entfalten kann, wenn der Staat sie verordnet.

© SZ vom 08.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: