Ägyptens mächtige Freunde:Wer den Scheichs gefährlich werden kann

Seitdem Ägypten die Muslimbrüder verfolgt, hat das Land mächtige und spendable Freunde gewonnen. Denn die Botschaft der Islamisten ist für das Herrschaftsmodell der Könige und Emire am Golf gefährlich.

Von Tomas Avenarius, Kairo

Kaum hatte Ägyptens Armee den Islamisten-Präsidenten Mohammed Mursi abgesetzt, kamen die Glückwünsche: aus Saudi-Arabien, aus Kuwait, aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Harte Währung folgte. Die Golfstaaten werden dem von der Pleite bedrohten Ägypten zwölf Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen zur Deckung der laufenden Kosten. Der Grund für die Freigiebigkeit liegt auf der Hand.

Kaum einer musste sich von der kurzen Herrschaft der Kairoer Islamisten so bedroht fühlen wie die Könige und Emire am Golf. Deshalb erklärte Saudi-Arabiens König Abdallah unmittelbar nach Mursis Sturz am 3. Juli: "Die Welt soll wissen, dass wir an der Seite unserer ägyptischen Brüder stehen im Kampf gegen Terror, Extremismus und Aufwiegelung."

Folgerichtig daher, dass etwa in den Vereinigten Emiraten nun auch juristisch mit den Muslimbrüdern abgerechnet wird. Vor Gericht stehen in Abu Dhabi 24 angebliche Islamisten, die meisten von ihnen Ägypter. Die Anklage wirft ihnen vor, eine illegale Filiale der in Kairo beheimateten Bruderschaft gegründet zu haben. Die Angeklagten haben dies in dem nichtöffentlichen Verfahren wohl bestritten. Ihre Geständnisse seien unter Druck erfolgt: Ein Ägypter habe gesagt, sie seien auf alle mögliche Arten gefoltert worden, berichtete ein Angehöriger eines Angeklagten. Die Behörden bestreiten Gewalt, das Gericht will die Inhaftierten untersuchen lassen.

Für die Scheichs ist die Botschaft der Muslimbrüder gefährlich

Harte Urteile sind zu erwarten. Im Juli waren bereits mehr als 60 Emiratis abgeurteilt worden, mit bis zu 15 Jahren Haft. Vorgeworfen wurde ihnen die "Planung eines Umsturzes". Es handelt sich offenbar um Mitglieder der illegalen emiratischen Islah-Partei. Die ist auch in anderen Staaten wie etwa Jemen ein nur wenig verhüllter Ableger der Muslimbrüder. Seit dem Sturz Mursis wächst der Druck in Ägypten täglich. Ein Ausweichen von Teilen der Organisation ins Ausland liegt nahe.

Davor scheinen sich die Golf-Regierungen zu fürchten; das Vorgehen der Emirate zeigt dies. Die Scheichs, die saudischen voran, mögen islamistische Gruppen jahrzehntelang ideologisch aufgehetzt und in ferne Kriege geschickt haben: Afghanistan, Bosnien, Irak, Syrien. Aber im eigenen Land wollen sie die Störenfriede nicht haben.

Für ihr Herrschaftsmodell, gestützt auf Energiereichtum, großzügige Ölrenten und das vollkommene Fehlen von politischer Partizipation, ist die politische Botschaft der Fundamentalisten gefährlich. Und am gefährlichsten sind die Muslimbrüder: Hervorragend organisiert, politisch oft pragmatisch auftretend, ideologisch entschlossen - und keine Freunde der Scheichs.

In Ägypten, dem Ursprungsland der mehr als 80 Jahre alten Islamistenorganisation, scheint die vom Militär eingesetzte Übergangsregierung ebenfalls entschlossen zu sein, den Brüdern politisch den Garaus zu machen. Am Montag war der Prozess gegen den gestürzten Präsidenten Mursi und eine Reihe führender Muslimbrüder eröffnet worden, ihnen droht die Todesstrafe. Jetzt bestätigte ein Kairoer Gericht das jüngste Verbot der gesamten Muslimbruderschaft und das Einfrieren des Vermögens der Organisation.

Zwar betreibt die Bruderschaft religiöse Stiftungen, Schulen, Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen, sie dürfte Immobilien und Firmenanteile in Ägypten und im Ausland haben, vielfach unter Schattennamen. Aber nun wird es schwieriger für sie, Proteste gegen die Regierung zu organisieren: Ein guter Teil ihrer Anhängerschaft ist seit Jahrzehnten mit Sozialleistungen und Almosen geködert worden, die der ägyptische Staat nicht bietet. Die Gelder dafür fehlen nun. Ein Anwalt der Bruderschaft sagte nach dem Urteil zum Verbot der Gruppe: "Das Gericht hat höchstwahrscheinlich auf Anordnung einer höheren Stelle geurteilt."

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