Ägypten:Zurück zur Normalität

Nach langem Zögern besucht US-Außenminister John Kerry das Regime in Ägypten - zu groß sind die gemeinsamen Sicherheitsinteressen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Das Mitbringsel von US-Außenminister John Kerry zum "strategischen Dialog" mit Ägyptens Führung am Sonntag konnten die Bewohner Kairos schon am Freitag bestaunen: Acht neue F-16-Kampfjets orgelten im Tiefflug über die Hauptstadt. US-Präsident Barack Obama hat im Frühjahr die im Oktober 2013 eingefrorene Militärhilfe wieder freigegeben. 1,3 Milliarden Dollar kommen dem Regime in Kairo nun pro Jahr zugute. Lange hatte Washington gezögert, nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch die Armee die Beziehungen zu normalisieren. Es war das erste Treffen in diesem Format seit 2009. Inzwischen überwiegen aber offenbar wieder die Sorgen um die Stabilität des bevölkerungsreichsten arabischen Landes und über den Verlust an Einfluss Bedenken wegen der sich zuletzt verschlechternden Menschenrechtslage.

Im Kampf gegen den IS gewinnt Kairo an Bedeutung für Amerika

Zeitgleich mit Kerrys Besuch war eigentlich das Berufungsurteil im Prozess gegen die drei Al-Jazeera-Journalisten Peter Greste, Mohammed Fahmy und Baher Mohammed erwartet worden. Das Gericht vertagte sich allerdings auf den 29. August. Bereits am Donnerstag war das mit Spannung erwartete Urteil verschoben worden, weil angeblich der zuständige Richter krank war.

Die drei waren zu Haftstrafen zwischen sieben und zehn Jahren verurteilt worden. Die Richter befanden sie für schuldig, falsche Nachrichten zugunsten der inzwischen als Terrorvereinigung verbotenen Muslimbruderschaft verbreitet zu haben. Baher Mohammed war zudem wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilt worden. Das Kassationsgericht hatte die Schuldsprüche aus Mangel an Beweisen verworfen, aber zugleich einen neuen Prozess angeordnet. Das Verfahren gilt als eklatantes Beispiel für die politisierte Justiz in Ägypten. Katar, Eigentümer des Senders, gilt als wichtiger Unterstützer der Muslimbruderschaft.

Kerry hatte vor seiner Abreise in Washington noch Mohammed Soltan getroffen, Sohn eines prominenten Mitglieds der Islamisten-Vereinigung. Der Amerikaner war Ende Mai nach mehr als 400 Tagen Hungerstreik aus ägyptischer Haft freigekommen und in die USA ausgeflogen worden. Kerry betonte, es sei wichtig, im Kampf gegen Terrorismus zwischen friedlichem Protest und gewalttätigem Extremismus zu unterscheiden. Ägyptens Regierung rechtfertigt ihren harten Kurs damit, die Muslimbruderschaft sei die Dachorganisation und der ideologische Ursprung allen islamistischen Terrors.

Die Menschenrechte sollten in Kerrys Gesprächen mit seinem Kollegen Sameh Shoukry und Präsident Abdel Fattah al-Sisi thematisiert werden - größeren Raum dürfte die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen eingenommen haben. Für die USA gewinnt Ägypten als Partner ob der verfahrenen Situation im benachbarten Bürgerkriegsland Libyen und des Aufstiegs der Terrormiliz Islamischer Staat an Bedeutung. Auch kämpft Ägypten im Nordsinai gegen einen Ableger der Gruppe. Hunderte Soldaten und Polizisten sind dabei getötet worden. Terroristen verübten jüngst zudem zwei schwere Autobombenanschläge in Kairo.

Als einer der wenigen unter den überwiegend sunnitischen Staaten der arabischen Welt hat sich Ägypten vorsichtig positiv und abwartend zum Atomabkommen mit Iran geäußert. In den meisten der ebenfalls mit Washington verbündeten Golfstaaten und in Israel trifft es auf scharfe Kritik und beschleunigt die politische Entfremdung.

Auch Ägyptens Präsident Sisi hat signalisiert, dass er weder von Waffenhilfe aus den USA abhängig sein, noch sich von dort Vorgaben machen lassen will. Im Februar empfing er Russlands Präsidenten Wladimir Putin, der nicht zufällig als Gastgeschenk eine Kalaschnikow überreichte. Nun will Ägypten für 3,5 Milliarden Dollar Waffen in Russland kaufen. Auch mit Frankreich wurden sich die Ägypter handelseinig: 24 Kampfjets vom Typ Rafale bestellte Kairo für 5,8 Milliarden Dollar. Sie werden die Fähigkeiten der Luftwaffe nicht entscheidend verbessern, die 230 amerikanische F-16 im Einsatz hat. Doch als die ersten vier Jets jüngst in Formation an den Pyramiden vorbei und den Nil hinunterflogen, war das nicht nur ein Signal an die Bürger von Kairo.

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