Ägypten:Tödliches Versehen

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Die Wüste im Westen Ägyptens hat viele Attraktionen zu bieten. Elf Teilnehmer einer Touristen-Tour wurden dort nun versehentlich getötet. (Foto: Amr Abdallah Dalsh/Reuters)
  • Mehrere mexikanische Touristen und ihre ägyptischen Reiseleiter sind bei einer Anti-Terror-Operation von Armee und Polizei in der westlichen Wüste Ägyptens versehentlich getötet worden.
  • Die mexikanische Regierung geht davon aus, dass die Gruppe aus der Luft angegriffen wurde.
  • Die Regierung in Kairo beschuldigt das Tourismus-Unternehmen, nicht die nötigen Genehmigungen eingeholt zu haben. Der SZ hingegen liegt eine detaillierte Anmeldung der Reise bei der Touristen-Polizei vor.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die westliche Wüste Ägyptens ist ein beliebtes Touristenziel. Dort gibt es Altertümer zu bestaunen, in den Quellen der Oasen kann man baden, die Natur wartet mit bizarren Felsformationen auf, die Wind und Sand in Jahrhunderten geformt haben. In den feinsandigen Dünen von Abu Maharaq machen die Fahrer der geländegängigen Allrad-Jeeps gerne einen Abstecher. Für zwölf Menschen, mindestens sieben mexikanische Touristen und vier ihrer ägyptischen Begleiter, endete ein solcher Ausflug am Sonntagnachmittag tödlich. Laut ihrem Reiseprogramm, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, waren sie am Freitagmorgen um 1.30 Uhr mit einer Maschine der KLM in Kairo angekommen. Am Sonntag brachen sie wie geplant zu einer fünftägigen Wüstentour auf; die Nacht hätten sie in der Oase al-Bahariya verbringen sollen. Doch dort kamen sie nie an.

40 Kilometer vor ihrem Ziel verließ die Gruppe mit ihren vier Geländewagen am späten Nachmittag, aber noch deutlich vor Sonnenuntergang, die befestigte Straße. Sie fuhren etwa zwei Kilometer in die Wüste hinein, um eine Pause zu machen und zu essen, wie ein Reiseführer der SZ berichtete, der mit Mitgliedern der Reisegruppe und Mitarbeitern des betroffenen Veranstalters gesprochen hat. Das Außenministerium in Mexiko bestätigte dies am Nachmittag.

Was die Gruppe offenbar nicht wusste: In der Region war eine Anti-Terror-Operation von Armee und Polizei im Gange. Zwei Tage zuvor war ein Bewohner in der Oase entführt worden, der laut Einheimischen mit der Polizei zusammengearbeitet hatte.

Als sich die Bewohner in der Wüste auf die Suche nach ihm machten, stießen sie laut lokalen Quellen auf schwer bewaffnete Männer. Sie informierten die Sicherheitskräfte, die zunächst mit zwei Panzern angerückt seien. Ein zuvor schon mit zwei Autobombenanschlägen in Kairo und Shubra al-Khaima in Erscheinung getretener Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat, der sich nur "Islamischer Staat Ägypten" nennt, veröffentliche im Internet Meldungen, dass die "Soldaten des Kalifen" in der fraglichen Gegend bei einem Gefecht die Armee in die Flucht geschlagen hätten.

Unternehmen als professionell und zuverlässig beschrieben

Die Sicherheitskräfte sperrten daraufhin laut Informationen aus der Tourismus-Branche am Samstag das betreffende Wüstengebiet. Dem Innenministerium zufolge starteten Einheiten der Polizei und des Militärs eine gemeinsame Anti-Terror-Operation. Unklar blieb zunächst, ob der Reiseveranstalter darüber formiert war. In der Branche wurde das Unternehmen als professionell und zuverlässig beschrieben; die Fahrer hätten 20 Jahre Erfahrung gehabt. Es sei schwer vorstellbar, dass sie absichtlich in ein gesperrtes Gebiet fuhren.

Als Hubschrauber der Armee den Konvoi in der Wüste entdeckten, hielten sie ihn offenbar für die Entführer oder IS-Terroristen und eröffneten versehentlich das Feuer. Auch die mexikanische Regierung geht davon aus, dass die Gruppe aus der Luft angegriffen wurde, wie das Außenministerium mitteilte - von Hubschraubern und einem Flugzeug. Manche der Getöteten waren lokalen Quellen zufolge so verkohlt, dass die Identifizierung bis zum Montagabend noch nicht abgeschlossen war.

Nach IS-Anschlägen
:Ägypten setzt umstrittenes Anti-Terror-Gesetz in Kraft

Wer als Journalist in Ägypten nicht wie offiziell vorgesehen über Terroranschläge berichtet, soll zukünftig eine Geldstrafe zahlen. Ursprünglich war sogar Haft vorgesehen.

Ein kürzlich von Präsident Abdel Fattah al-Sisi per Dekret in Kraft gesetztes Anti-Terror-Gesetz verbietet es ägyptischen wie ausländischen Medien, Informationen zu Terroranschlägen und Anti-Terror-Operationen zu veröffentlichen, die den offiziellen Angaben widersprechen. Menschenrechts- und Journalisten-Organisationen hatten dies als schweren Eingriff in die Pressefreiheit kritisiert. Bei diesem tragischen Vorfall wird deutlich, wie problematisch dies ist.

Zweifel an den offiziellen Darstellungen

Die Regierung in Kairo beschuldigte das Unternehmen, nicht die nötigen Genehmigungen eingeholt zu haben und sich in einem gesperrten Gebiet aufgehalten zu haben. In einem der SZ vorliegenden Schreiben vom 7. September hatte der Veranstalter die Reise mit detailliertem Programm bei der Touristen-Polizei angemeldet. Ob der Veranstalter danach über die Sperrung des Gebietes oder die Anti-Terror-Operation informiert worden war, blieb zunächst ungeklärt.

Wiederholt hatten Augenzeugen-Berichte bei Anti-Terror-Operationen Zweifel an den offiziellen Darstellungen geweckt - oft werden Getötete von den Behörden pauschal als Terroristen bezeichnet, die Sicherheitskräfte attackiert hätten. Seit einer Woche führt die Armee im Nordsinai eine Offensive gegen Terrorverdächtige, bei der nach offiziellen Angaben 267 "Terroristen" getötet worden sind - ob unter ihnen nicht auch etliche Zivilisten waren, lässt sich nicht unabhängig prüfen. Der Nordsinai ist für Journalisten nicht zugänglich.

Neben dieser Region gilt auch die westliche Wüste bis zur Grenze des Bürgerkriegslandes Libyen als Rückzugsort für Extremisten. Hier ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Scharmützeln zwischen der Armee und Terroristen gekommen Das Auswärtige Amt rät von Reisen in entlegene Gebiete der ägyptischen Sahara "dringend" ab.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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