Chaos in Ägypten: Presseschau:"Öl ins Feuer gegossen"

Ägyptens Präsident Mubarak weigert sich abzutreten - und empört damit sowohl die Demonstranten in Kairo als auch die Medien. Zeitungen und Nachrichtensender aus aller Welt befürchten eine Eskalation der Proteste - und beleuchten die Rolle von US-Präsident Obama.

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Als "Katastrophe" bezeichnet die Berliner Zeitung die Person des ägyptischen Regime-Chefs, nachdem Mubarak, der "verhasste Präsident", den Menschenmassen auf dem Tahrir-Platz in seiner Rede nicht die "befreiende Nachricht" von einem Rücktritt verkündete. Dieses Ergebnis der Beratungen zwischen den Militärs und Vizepräsident Suleiman, so kommentiert das Blatt, sei ein "weiterer unerhörter, abgebrühter Versuch" Mubaraks, seine Macht zu retten, und völlig "inakzeptabel" für die Demonstranten. Nun steige das Risiko einer Explosion.

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Die gleiche Gefahr sieht man bei Spiegel Online. Dort fragt man sich, ob manche Demonstranten nun zu Recht ihre Hoffnung auf das Militär setzen. Unsicherheit herrsche unter den Protestierenden, ob alle friedlich bleiben würden.

Die Rolle von Barack Obama wird kritisch beurteilt: "Wieder mal ist Amerikas Oberbefehlshaber im Mubarak-Dilemma gefangen."

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Die taz, die sich aus Solidarität mit zwei in Iran verurteilten Regisseuren heute grün präsentiert, stellt fest, dass Mubarak "die wohl allerletzte Gelegenheit verpasst" hat, "einigermaßen in Würde abzutreten". Zugleich vermutet man, dass es wahrscheinlich das Militär gewesen ist, das beschlossen hat, Mubarak vorerst im Amt zu lassen. Das könnte sich allerdings "als nicht die schlechteste aller Möglichkeiten erweisen" - auch wenn die Proteste zu weiteren Toten führen könnten. "Denn je länger Mubarak im Amt bleibt, [...] um so unwahrscheinlicher wird eine halbe Revolution [...]".

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Die britische Times betrachtet Mubaraks Entscheidung als seine eigene, da er nach 30 Jahren an der Macht unfähig sei, loszulassen. "Man wundert sich, wieso er darauf kam, in einer so entscheidenden Situation eine derart nichtssagende Rede zu halten." Die Demonstranten seien "zu Recht empört über diesen taktierenden Despoten". Den Rücken habe Mubarak möglicherweise König Abdullah von Saudi-Arabien gestärkt. "Der König hat wagemutig versucht, den US-amerikanischen Einfluss zu unterlaufen und erklärt, er werde die Mittel bereitstellen, falls die Regierung Obamas Hilfsgelder kürzen würde." Das Weiße Haus müsse jetzt auf einer vollständigen Aufhebung des Ausnahmezustands und auf weitere Reformen bestehen, heißt es in der Zeitung.

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In den USA blickt die Presse nach Mubaraks Rede vor allem auf den eigenen Präsidenten. Die New York Times hat den Eindruck, Barack Obama und seine Regierung seien von den Ankündigungen des ägyptischen Präsidenten genauso verblüfft wie die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz - insbesondere da CIA-Chef Leon Panetta zuvor von einer "großen Wahrscheinlichkeit" gesprochen hatte, dass Mubarak seinen Hut nehmen würde. Die chaotischen Ereignisse am Donnerstag würden die Strategie der US-Regierung im Umgang mit der Krise in Ägypten weitgehend in Frage stellen, kommentiert die Zeitung. Insbesondere die Hoffnung, Vizepräsident Suleiman würde für einen geordneten Rückzug der ägyptischen Regierung stehen, habe sich offenbar zerschlagen, da dieser sich hinter Mubarak gestellt habe.

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Auch die Washington Post betont, dass "die Entwicklung nicht nur die Ägypter, sondern offenbar die ganze Welt überrascht" habe. Das gelte auch für die US-Regierung bis in die höchsten Ämter hinein. "Wir werden beweisen, dass wir keine Anhänger oder Marionetten von irgendjemanden sind, oder dass wir von irgendjemanden Anordnungan annehnehmen", zitiert das Blatt Mubarak und deutet an, dass sich dies insbesondere gegen die US-Regierung richtet.

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Weniger auf die Überraschung der US-Regierung durch Mubaraks Rede als vielmehr auf die darauf folgenden "deutlichen Worte" von Barack Obama bezieht sich die britische BBC. Es sei zwingend notwendig, "dass die Regierung auf die Hoffnungen der Menschen nicht mit Unterdrückung oder Brutalität reagiert", zitiert der Sender den US-Präsidenten, und warnt vor dem "bisher gefährlichsten Moment seit dem Beginn der Proteste vor mehr als zwei Wochen".

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Barack Obama sei kurz davor, seine Geduld mit Ägyptens Regierung zu verlieren, schreibt der britische Guardian. Der US-Präsident forderte Mubarak nun auf, endlich "glaubwürdig, handfest und unzweideutig den Pfad der Demokratie zu betreten" und lobte zugleich die Demonstranten, die ihr Recht auf friedliche Versammlung genutzt hätten, um die Größe des ägyptischen Volkes zu zeigen,, und die großteils die ägyptische Gesellschaft repräsentierten. Im Weißen Haus, dem Außenministerium und dem Pentagon sei man nun auf der Suche nach Erklärungen für die Entwicklung, während Kritiker des US-Präsidenten ihn der Naivität bezichtigen.

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Als Beschwichtigungsversuch, der noch mehr Öl ins Feuer gegossen habe, wertet der Wiener Standard die Rede Mubaraks. Die österreichische Zeitung unterstellt dem ägyptischen Präsidenten eine Entrücktheit, in der er wahrscheinlich glaube, dass hinter ihm das Chaos käme. Dieses aber löse er selbst aus. Nun komme es darauf an: "Was wird die Armee jetzt tun? Dem Alten noch einmal den Willen lassen? Dafür vielleicht sogar auf Demonstranten schießen? Oder versuchen, es weiter auszusitzen - oder Mubarak vor dem nächsten Auftritt klarer machen, was man von ihm erwartet."

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Der Volksaufstand, so schreibt die niederländische Zeitung de Volkskrant, dürfte sich nach Mubaraks Rede eher ausweiten. "Trotz aller Einschüchterungsversuche haben die Proteste an Kraft gewonnen." Und "abgesehen von der Desillusionierung für die breite Oppositionsbewegung muss die Ansprache Mubaraks auch eine Enttäuschung für das Weiße Haus sein. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder haben die Amerikaner die Situation falsch eingeschätzt oder ihr Einfluss auf Regierung und Militärspitze Ägyptens ist kleiner als sie dachten."

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Die spanische El País wundert sich über Mubaraks " Durchhaltevermögen und seine Fähigkeit zu Manövrieren", die größer seien "als die ganze Welt erwartet hätte." Der Zynismus des Präsidenten gehe soweit, dass Mubarak die Forderungen der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz sogar als legitim bezeichnete. "Obwohl sein Verbleib im Amt das größte Hindernis ist, präsentierte sich Mubarak in seiner Rede als der unentbehrliche Garant der Veränderungen, die bis zu den nächsten Wahlen umgesetzt werden sollen."

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Auf dem Tahrir-Platz erlebte der Al-Dschasira-Korrespondent, wie die "Stimmung vollständig kippte, während der Präsident sprach". Hoffnung verwandelte sich in Frustration und Zorn, der sich in diesem Augenblick darin äußerte, dass Hunderte ihre Schuhe auszogen, um damit winkend Mubarak ihre Verachtung zu zeigen, betont der arabische Sender.

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"Wenn Mubarak glaubt, mit einer Rede die Situation beruhigen zu können, dann irrt er sich", stellt die polnische Tageszeitung Rzeczpospolita fest. "Indem er die Macht auf den Vizepräsidenten überträgt und gleichzeitig erklärt, bis zu den Wahlen nicht zurücktreten zu wollen, zeigt er, dass er offenbar die Absicht hat, Zugeständnisse in Trippelschritten zu machen. Das aber weckt bei den Massen nur Frustration und Wut." Möglicherweise, so vermutet die Zeitung, klammere Mubarak sich an seinen Amtssessel, weil er glaubt, im September in allen Ehren Abschied nehmen zu können. "Das wird aber nicht funktionieren. Je länger er jetzt zögert, desto demütigender wird die Machtübergabe für ihn sein."

© dpa/dapd/Reuters/sueddeutsche.de/mcs/inra/mati
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