Nach dem Sturz Mubaraks:Neues Ägypten will alte Verträge einhalten

Während die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo die Reste der Revolution beseitigen, beginnen die neuen Machthaber in Ägypten mit vertrauensbildenden Maßnahmen. Die Militärregierung bekannte sich zu den internationalen Verträgen des Landes - auch zum Friedensvertrag mit Israel.

Auf dem Tahrir-Platz wird aufgeräumt: Die Bilder aus Kairo zeigen, wie die Menschen den Müll beiseite räumen, der sich in den vergangenen 18 Tagen hier angesammelt hat. Einige kehren den Platz.

Nach dem Sturz Mubaraks: Aufräumarbeiten am Tag danach: Bis in die frühen Morgenstunden haben Demonstranten den Rückzug Mubaraks gefeiert, jetzt räumen sie den Abfall der vergangenen Tage beiseite.

Aufräumarbeiten am Tag danach: Bis in die frühen Morgenstunden haben Demonstranten den Rückzug Mubaraks gefeiert, jetzt räumen sie den Abfall der vergangenen Tage beiseite.

(Foto: AP)

Bei den Aufräumarbeiten geben sich die Menschen gut gelaunt: Einige haben sich Papierblätter an die Brust geheftet - mit der Aufschrift: "Entschuldigen Sie die Störung! Aber wir bauen ein neues Ägypten auf."

Nachdem die Kernforderung der Opposition, der Rücktritt von Präsident Hosni Mubaraks, erfüllt ist, kündigte sie ein Ende der Proteste auf dem Tahrir-Platz an. Sie würden aber zu wöchentlichen Demonstrationen aufrufen, sagten Vertreter der Koalition aus Jugend- und Oppositionsgruppen auf einer Pressekonferenz. Damit wollten sie das regierende Militär weiter unter Druck setzen, die geforderten demokratischen Reformen umzusetzen.

Auf der Pressekonferenz machte die Koalition ihre Forderungen geltend, darunter die Aufhebung der Notstandsgesetze, die Auflösung des Parlaments und die Gründung eines Komitees, das mit der Änderung der Verfassung beauftragt werden solle. Einige Demonstranten, die nicht mit der Koalition in Verbindung stehen, kündigten an, weiterhin auf dem Tahrir-Platz zu campieren. Es war unklar, wann die Gegend in der Innenstadt von Kairo geräumt würde.

Als eine ihrer ersten Handlungen hat die Militärregierung unterdessen das nächtliche Ausgehverbot gelockert. Es beginnt nun erst um Mitternacht, statt wie bisher schon um 20 Uhr. Beobachter sehen darin einen Schritt Richtung Normalität nach dem Rücktritt Mubaraks .

Darüber hinaus kündigte das Militär an, dass es an der bestehenden Regierung festhalten wolle. Diese führe die Geschäfte, bis ein neues Kabinett gebildet werde, sagte ein hochrangiger Vertreter im ägyptischen Fernsehen - und dementierte damit einen Bericht des Fernsehsenders al-Arabija, wonach die Armee in Kürze das Kabinett entlassen und das Parlament auflösen wolle. Letzteres ist eine Kernforderung der Demonstranten auf dem Tahrir-Platz.

Amtierenden und ehemaligen Regierungsmitgliedern hatte das Militär zuvor die Ausreise versagt. Ein Flughafenmitarbeiter erklärte, es liege eine Liste mit Namen von Personen vor, die nicht ohne Erlaubnis der Staatsanwaltschaft oder des Obersten Rates der Streitkräfte das Land verlassen dürften. Betroffen davon war offenbar Informationsminister Anas el-Fikki, der möglicherweise sogar unter Hausarrest gestellt wurde, wie al-Arabija berichtete. Der Flughafenmitarbeiter sagte zu el-Fikki, der Minister habe nach London fliegen wollen und auch schon sein Gepäck bringen lassen. Zum Abflug sei er dann aber nicht erschienen.

Das Militär erklärte außerdem, Ägypten werde sich weiter an alle regionalen und internationalen Verträge halten. Dies dürfte insbesondere den US-Verbündeten Israel beruhigen. Der Staat hatte die Entwicklungen in seinem Nachbarland mit Sorge verfolgt, die Reaktionen auf den Machtwechsel waren verhalten. Ägypten hat neben Jordanien als einziges arabisches Land ein Friedensabkommen mit Israel geschlossen.

Israel begrüßte die Erklärung der neuen ägyptischen Führung. Das seit langem geltende Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten sei ein Eckstein für den Frieden im gesamten Nahen Osten, erklärte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Samstag. Finanzminister Juwal Steinitz sprach im Sender Channel 2 von einer "sehr guten Ankündigung." Der Frieden liege nicht nur im Interesse Israels, sondern auch im Interesse Ägyptens.

Die ägyptische Muslimbruderschaft erwartet unterdessen, dass die Armee die Macht so bald wie möglich an eine zivile Regierung abgeben wird. "Wir hoffen, dass der Armee, die bisher eine hervorragende und konstruktive Rolle gespielt hat, so schnell wie mögliche der sichere Übergang zu einer zivilen Regierung gelingen wird", sagte der Generalsekretär der Bruderschaft, Hussein Mahmoud der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Zugleich forderte er, dass Vizepräsident Omar Suleiman und andere Vertreter des alten Regimes von ihren Posten zurücktreten. "Das Volk hat entschieden, dass diese Leute der Vergangenheit angehören", sagte Mahmoud. Die Vertreter des alten Regimes sollten sich auch vor Gericht verantworten müssen.

Staatliche Medien wollen nun "ehrlich" berichten

Jubel nach dem Rücktritt Mubaraks kam aus Syrien: Die staatlichen Medien feierten den Sturz Mubaraks. Die Zeitung der regierenden Baath-Partei berichtete, der Rücktritt verändere "das Gesicht Ägyptens, der Region und der gesamten Welt". Die Beziehungen zwischen Syrien und Ägypten waren seit Jahren wegen der Nähe Mubaraks zu den USA gespannt. Syrien hatte sich auch gegen den Friedensvertrag von Camp David 1979 zwischen Israel und Ägypten ausgesprochen.

In Ägypten gratulierten auch die staatlichen Medien dem Volk: Die Zeitung Al Ahram, die einst Mubarak unterstützte, schrieb, die ägyptische Jugend habe Mubarak aus dem Amt gezwungen. Auch vom staatlichen Fernsehen kam eine Reaktion: Es kündigte an, künftig ehrlich berichten zu wollen.

"Das ägyptische Volk hat gesprochen"

Die internationale Gemeinschaft pocht unterdessen auf eine schnelle Vorbereitung von Wahlen. Die jetzigen Machthaber müssten dazu einen Zeitplan vorlegen, sagte EU-Außenministerin Catherine Ashton dem Spiegel.

"Ich erwarte von den jetzigen Machthabern, dass sie einen Plan vorlegen, wie sie diese vorbereiten wollen." Die "Übergangsphase" solle "nicht länger als ein paar Wochen, höchstens einige Monate" dauern. Die EU-Außenbeauftragte kündigte an, nach Kairo zu fliegen und dort mit allen Vertretern der Opposition, darunter die unter Mubarak verbotenen Muslimbrüder, zu sprechen. Auch die Türkei und Russland hoben die Bedeutung von Wahlen für einen demokratischen Wandel in Ägypten hervor.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich in ihrem wöchentlichen Video-Podcast erfreut über die Protestbewegungen in Ägypten und Tunesien. "Die Menschen lassen sich den Mund nicht mehr verbieten. Die Menschen stehen auf - und das nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Das ist eine sehr schöne Erfahrung."

Merkel drängte darauf, dass die Menschenrechte ohne Abstriche in allen arabischen Staaten gelten müssten. Dazu gehören Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, sagte die CDU-Chefin. Diese und andere Grundfreiheiten der UN-Menschenrechtscharta seien unteilbar. "Und daran müssen sich auch alle Regierungen in dieser Region gewöhnen", sagte die Regierungschefin.

US-Präsident Obama verglich die Vorgänge in Ägypten am Freitag mit dem Fall der Berliner Mauer. Man könne nicht anders, als das Echo der Geschichte zu hören - etwa der Deutschen, als sie die Mauer niederrissen. "Das ägyptische Volk hat gesprochen", sagte Obama. Ägypten werde nie mehr so sein wie zuvor.

Der Nahost-Experte Stephan Roll warnte jedoch vor neuen Protesten in Ägypten, sollte das jetzt herrschende Militär die Opposition nicht am politischen Prozess beteiligen. "Wenn das Militär nur mit den alten Köpfen weitermacht, könnte es schnell zu neuen Unruhen kommen", sagte der Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Es müssen jetzt Menschen in die Regierung eingebunden werden, die das Vertrauen der relevanten Oppositionsgruppen genießen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: