Ägypten:Mursi greift nach der vollen Amtsgewalt

Der Machtkampf zwischen Islamisten und Militär geht in die nächste Runde: Mit der Entlassung Tantawis, dem Chef des Militärrats, versetzt Ägyptens Präsident Mursi den alten Kräften einen Schlag. Mursi wird nun versuchen, die volle Amtsgewalt in seine Hände zu bekommen - und weiß das Volk in weiten Teilen hinter sich.

Tomas Avenarius

Ägyptens Islamisten-Präsident hat das Undenkbare getan und seinen Verteidigungsminister entlassen. Feldmarschall Mohammed Tantawi war nicht irgendein Minister. Er war Chef des Obersten Militärrats, er war der Mann, der Hosni Mubarak gestürzt und das Land bis zur Präsidentenwahl regiert hatte. Tantawi war auch der, der dem gewählten Präsidenten Mursi die wichtigsten Exekutivrechte kaltblütig entzogen hat. Der Feldmarschall war also derjenige, der die Armee als angeblichen Hüter Ägyptens über den Staatschef gestellt hatte und als eigentlicher Machthaber galt.

Der Zeitpunkt für die Entlassung war günstig. Die Terrorattacke auf dem Sinai, bei der Dschihadisten 16 Soldaten töteten, hat die Schwächen der Armee und Tantawis gezeigt. Der Machtkampf am Nil geht nun unerwartet schnell in die nächste Runde.

Mursi wird versuchen, die volle Amtsgewalt in seine Hände zu bekommen. Er weiß, dass das Volk in der Frage in weiten Teilen hinter ihm steht. Nicht nur seine Wähler, sondern auch die, die der Rolle der Armee skeptisch gegenüberstehen, werden die Entlassung begrüßen.

Möglicherweise gab es einen Hinterzimmer-Deal zwischen Staatschef und aufstrebenden Offizieren. Aber erst die kommenden Wochen werden zeigen, ob der Durchmarschversuch Mursis und seiner Muslimbrüder gelingt. Die Entscheidung steht aus im Kampf zwischen dem alten und dem neuen Regime.

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