Ägypten in Aufruhr:Obama drängt Mubarak zur Abgabe der Macht

Washington rückt von seinem alten Verbündeten Mubarak ab: US-Präsident Obama legt Ägyptens Staatschef nahe, bald abzutreten und preist das friedliche Verhalten des Militärs. In Kairo lehnen derweil alle Oppositionsgruppen Mubaraks Ankündigung ab, bis zum Herbst Präsident zu bleiben - Gespräche mit dem Regime soll es trotzdem geben.

US-Präsident Barack Obama hat Ägyptens Präsidenten Hosni Mubarak in einem persönlichen Gespräch gedrängt, sofort den Weg zur Demokratie freizumachen. "Ein geordneter Übergang muss bedeutungsvoll sein, muss friedlich sein und muss jetzt beginnen", sagte Obama in Washington. Er habe dies in einem Telefonat mit Mubarak nach dessen Rede verdeutlicht. "Er erkannte an, dass der gegenwärtige Zustand nicht aufrechterhalten werden kann."

Der US-Präsident sagte nicht direkt, dass sich Mubarak sofort zurückziehen müsse, aber der Washington Post zufolge würde es die amerikanische Regierung vorziehen, wenn der Ägypter die Macht schon vor den angekündigten Wahlen an eine Interimsregierung abgeben würde.

Lob für die ägyptische Armee

Obama lobte das ägyptische Militär ausdrücklich dafür, sich während der Massenproteste professionell und patriotisch verhalten zu haben. Er forderte die Armee nachdrücklich auf, sich auch weiterhin für einen friedlichen Verlauf der Demonstrationen einzusetzen. Bei der Vorbereitung freier und fairer Wahlen müsse gewährleistet sein, dass verschiedene Stimmen und Oppositionsgruppen zu Wort kämen, sagte Obama weiter.

Bereits vor der Äußerung des US-Präsidenten hatten Medien berichtet, dass Obama Mubarak aufgefordert habe, auf eine weitere Amtszeit zu verzichten. Der US-Sondergesandte Frank Wisner habe diese Botschaft persönlich in Kairo an Mubarak überbracht. Dies wäre seit Beginn der Revolte in Ägypten die erste konkrete Rückzugsforderung an Mubarak aus dem Weißen Haus.

Die Rede des ägyptischen Autokraten mit der Ankündigung, bei den Präsidentenwahlen im Herbst nicht mehr anzutreten, besänftigt indes weder die Opposition des Landes, noch die protestierenden Menschenmassen.

"Der Präsident ist dickköpfig, wir sind dickköpfiger"

Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo quittierten die Rede Mubaraks mit Buhrufen. "Der Präsident ist dickköpfig, aber wir sind dickköpfiger", rief ein Anführer in ein Megaphon. "Wir werden den Platz nicht verlassen." Mit Sprechchören forderte die Menge Mubarak auf, nach drei Jahrzehnten an der Macht abzudanken.

Gewalt in Alexandria

Im Zentrum von Alexandria kam es sogar zu Zusammenstößen. In der nordägyptischen Hafenstadt lieferten sich Anhänger und Gegner des Staatschefs gewalttätige Auseinandersetzungen. Mubarak-Getreue griffen nach der Rede Demonstranten der Opposition mit Stöcken und Messern an, wie Augenzeugen berichteten. Die Menge sei daraufhin in Panik geraten, die Armee habe Warnschüsse abgefeuert.

Die politischen Bewegungen zeigten sich von Mubaraks Rede enttäuscht. "Wir lehnen das ab, weil es unsere Forderungen nicht erfüllt", sagte ein Sprecher der Jugendbewegung 6. April in Kairo. "Wir setzen die Proteste fort, bis unsere Forderungen erfüllt sind, besonders die Forderung nach dem Rücktritt Mubaraks und seines Regimes." Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei zeigte sich ebenfalls enttäuscht. "Wie immer hört er nicht auf sein Volk."

Auch die Muslimbrüder kritisierten Mubaraks Rede. Der Sprecher der fundamentalistischen Bewegung, Mohamed Mursi, sagte: "Dies erfüllt keine der Forderungen des Volkes." Außerdem kämen diese Zugeständnisse zu spät.

Immerhin: Kurz vor der Mubarak-Rede hatte der neue Vizepräsident Omar Suleiman erstmals Kontakt mit der Opposition aufgenommen. Nach Informationen des Senders al-Arabija rief das Büro Suleimans Vertreter der Protestgruppen auf dem Tahrir-Platz an.

Opposition verständigt sich auf gemeinsame Linie

In Kairo verständigten sich Vertreter aller größeren Oppositionsparteien und -bewegungen auf eine gemeinsame Linie. Sie fordern den Rücktritt Mubaraks und eine "Regierung der nationalen Allianz". Zu den Forderungen, die nach einem Treffen am Dienstag in Kairo erhoben wurden, gehört auch die Auflösung der beiden Parlamentskammern sowie der Regionalparlamente. Eine Arbeitsgruppe soll eine neue Verfassung ausarbeiten.

Die ägyptische Opposition lehnt Gespräche mit den Machthabern vor einem Rücktritt Mubaraks ab. "Wir erwarten, dass die Führung uns einen Zeitplan für die Umsetzung dieser Forderungen präsentiert. Erst dann sind wir bereit, einen Dialog mit Vizepräsident Omar Suleiman zu beginnen", hieß es.

Immerhin eine Stimme bewertete die Rede Mubaraks positiv: Amr Mussa, Generalsekretär der Arabischen Liga, warnte davor, das Angebot Mubaraks gleich vom Tisch zu fegen. "Ich glaube, dass da etwas angeboten wurde, über das man genau nachdenken sollte", sagte er im US-Sender CNN.

Mussa selbst hat Ambitionen auf Höheres: Er kündigte an, er werde möglicherweise selbst für das Präsidentenamt kandidieren.

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