Ägypten:Attentat auf den Klub der besten Freunde

Mit einem Anschlag auf das italienische Konsulat trifft der Islamische Staat das ägyptische Regime ebenso wie die Regierung in Rom: Die adelt Präsident Sisi als "großen Anführer".

Von Paul-Anton Krüger und Oliver Meiler, Kairo/Rom

Eine Explosion, so gewaltig, dass die Außenwand des Gebäudes einstürzt. Von der Straße blickt man nun direkt auf aufgesprengte Türen, vor denen ein Gang mit Büros lag. Der Krater, den die Autobombe in den Asphalt der Straße gerissen hat, ist so tief, dass die Hauptwasserleitungen geborsten sind. Vor dem teilweise zerstörten Gebäude des italienischen Konsulats in Kairo liegt ein Schuttberg, das aus den geplatzten Rohren strömende Wasser staut sich zu einem kleinen See. Bei dem Attentat im Zentrum von Kairo, zu dem sich der Islamische Staat (IS) bekannt hat, wurde ein Mensch getötet. Zehn weitere wurden verletzt, wie das ägyptische Gesundheitsministerium mitteilte. Es war der erste Bombenanschlag auf eine diplomatische Vertretung in Kairo eines westlichen Staats seit vielen Jahren.

Dass es nicht mehr Opfer gab, ist allein der Tatsache geschuldet, dass der Sprengsatz am Samstagmorgen gegen halb sieben Uhr explodierte und sich nur sehr wenige Menschen in der sonst extrem belebten Gegend nahe dem Tahrir-Platz aufhielten: Die Druckwelle zerstörte noch Fenster im etwa 400 Meter entfernt gelegenen Ägyptischen Museum am Tahrir. Am Konsulatsgebäude führen zwei der am stärksten befahrenen Straßen der Stadt vorbei; neben dem Bürotrakt befindet sich ein Kulturzentrum und der bei Westlern beliebte Italienische Klub mit Bar und Restaurant.

Das Attentat ist seit vielen Jahren der erste Terroranschlag gegen eine diplomatische Institution in Kairo. Das italienische Konsulat war allerdings wesentlich weniger gesichert als etwa die britische und die amerikanische Botschaft in der Innenstadt. Im Internet bekannte sich die Terror-Miliz IS zu dem Attentat. Man habe eine Autobombe mit 450 Kilogramm Sprengstoff zum Einsatz gebracht. Die Sicherheitskräfte gingen laut al-Ahram davon aus, dass diese Bombe unter einem parkenden Wagen versteckt worden war.

Bisher griff das IS-Kalifat nur Ägyptens Soldaten, Polizisten, Richter und Staatsanwälte an

Als Täter kommt die auf der Sinai-Halbinsel aktive Terrorgruppe Ansar Beit el-Maqdis infrage. Sie hatte sich im November 2014 als "Provinz Sinai" dem IS-Kalifat angeschlossen. Bisher attackierte sie vor allem Armee, Polizei oder andere Repräsentanten des Staates, etwa Justizvertreter: Auch Generalstaatsanwalt Hischam Barakat wurde jüngst ermordet. In der Bekenner-Nachricht war nun vom "Islamischen Staat Ägypten" die Rede. Das könnte bedeuten, dass sich eine neue Gruppe außerhalb des Sinai gebildet hat. Im Juni hatten ein Selbstmordattentäter und zwei mit Gewehren bewaffnete Männer versucht, einen Anschlag am Karnak-Tempel in Luxor zu verüben; es war ein Angriff auf eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten, die von Touristengruppen besucht wird. Polizisten erschossen die Terroristen noch auf dem Parkplatz vor dem Tempel.

Präsident Abdel Fattah al-Sisi erklärte, der Terrorismus bedrohe Ägypten ebenso wie auch andere arabische und westliche Staaten existenziell. Premier Ibrahim Mehleb sagte sogar, sein Land stehe im Krieg. Er appellierte an die Staatengemeinschaft, sich dem Terrorismus geschlossen entgegenzustellen. Sisi war für sein Versprechen gewählt worden, nach drei Jahren der Unruhen und des Umbruchs Sicherheit herzustellen und die Wirtschaft anzukurbeln. Seit das Militär vor zwei Jahren den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi abgesetzt hat, nimmt die politische Gewalt allerdings deutlich zu. Die Regierung macht dafür die Muslimbruderschaft verantwortlich, die nach Mursis Sturz als Terror-Organisation verboten worden ist.

Italiens Regierung deutet das Attentat als Einschüchterungsversuch: "Wir sind Zielscheibe für die Terroristen", sagte Außenminister Paolo Gentiloni zu La Repubblica, "weil wir an vorderster Front gegen den IS kämpfen. Doch wir lassen uns nicht einschüchtern." Er meinte damit etwa 300 Soldaten, die kurdische Peschmerga für deren Kampf gegen den IS in Irak und Syrien ausbilden. Das Kontingent soll auf 1000 Mann aufgestockt werden. Einen Zusammenhang mit Italiens Rolle in Libyen, wo das Land im Falle einer Militärintervention die Führung einer internationalen Koalition anstreben würde, mochte Gentiloni nicht erkennen, der an diesem Montag nach Kairo reist: "An der Lotterie der Mutmaßungen nehme ich nicht teil."

Möglicherweise ist Italien in Ägypten aber besonders exponiert, weil Rom Präsident Sisi mit Nachdruck stützt. Premier Matteo Renzi erneuerte seine Wertschätzung: "In diesem Moment", sagte er, "kann Ägypten nur gerettet werden, wenn es von al-Sisi regiert wird, einem großen Anführer." Das sei seine persönliche Meinung: "Ich bin stolz auf meine Freundschaft mit dem Präsidenten, er kann auf meine Unterstützung zählen." Genährt von IS-Drohungen wächst aber längst die Sorge, die Dschihadisten könnten den Terror auch nach Italien tragen - nach Rom, ins Zentrum der katholischen Kirche.

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