Adoptionsrecht für Homosexuelle:Wie CDU und CSU den Anschluss verlieren

German Chancellor and leader of CDU Merkel leaves stage during party convention  in Leipzig

Kanzlerin Angela Merkel auf einem Parteitag im November 2011: Die Union ist drauf und dran den Anschluss an das eigene Volk zu verlieren

(Foto: REUTERS)

Mit ihrer beharrlichen Weigerung, die Gleichstellung der Homo-Ehe voranzutreiben, beweist die Union: Sie betrachtet nicht die Wirklichkeit sondern lieber die Stammtische. Dabei wäre es Aufgabe der Regierungsparteien CDU und CSU gesellschaftliche Veränderungen auf- und anzunehmen. Und nicht, sie zu verhindern.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler

Die Sprachlosigkeit in der Union überrascht dann doch. Dabei kam das Urteil aus Karlsruhe so überraschend nicht. Die Verfassungsrichter haben entschieden, das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare zu lockern. Und aus der Union ist dazu so gut wie nichts zu hören.

Bisher gab es das ja schon, dass leibliche Kinder vom schwulen oder lesbischen Partner adoptiert werden konnten. Zudem steht das Urteil in einer Tradition von Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht eine Ungleichbehandlung nach der anderen aufgehoben hat. Und doch ist es eine kleine Sensation. Erstmals wird es möglich sein, dass ein homosexuelles Paar adoptierte Kinder haben kann.

Schlimm daran ist nur, dass es überhaupt zu einem Urteil kommen musste. Mal wieder müssen CDU und CSU vom höchsten Gericht getrieben werden, bevor es Bewegung gibt. Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagt gerne: "Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit." Geht es um die überfällige rechtliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften gegenüber der Ehe, schauen die Politiker von CDU und CSU allerdings lieber auf die dumpfen Vorurteile an den Stammtischen der Republik.

Die Union müsste Vorreiterin sein

Nein, Kinder brauchen nicht zwingend Vater und Mutter, damit aus ihnen selbstbewusste und verantwortungsvolle Erwachsene werden können. Sie brauchen verlässliche und liebevolle Eltern, egal ob gleichen oder verschiedenen Geschlechts. In weiten Teilen der Gesellschaft ist das längst angekommen. In der Mitte der Union noch nicht.

Erst Anfang Dezember haben die Delegierten der CDU auf ihrem Parteitag in Hannover mehrheitlich gegen die steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe mit der Hetero-Ehe gestimmt. Dabei wird auch diese Frage demnächst vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden. Wenn es an seiner bisherigen Linie festhält, dann wird das Ehegattensplitting bald auch eingetragenen Lebenspartnerschaften zugutekommen müssen. Da kann die CDU entscheiden, was sie will.

Dabei müsste gerade die Union Vorreiterin sein in wichtigen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Ihre Vorsitzende Angela Merkel, ihr Präsidium, die Fraktionsführung, sie alle könnten ihren Anhängern zeigen, dass Diskriminierung und Intoleranz falsch sind. Stattdessen wartet die ganze Partei auf Gerichtsurteile und wundert sich hinterher, dass sie in den Städten nicht mehr in der Lage ist, Mehrheiten zu gewinnen.

Die Union, das wird in solchen Momenten klar, ist drauf und dran den Anschluss an das eigene Volk zu verlieren. Mit der Betrachtung der Wirklichkeit hat das nichts mehr zu tun.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: