Holocaust-Organisator Adolf Eichmann:"Schrecklich und erschreckend normal"

Er selbst hat sich stets als ideologiefreien Schreibtischtäter dargestellt: Adolf Eichmann hat mit bürokratischer Akribie den Holocaust geplant. 1962 wurde er in Israel hingerichtet. Der Prozess gegen den Ex-Obersturmbannführer ist bis heute beispiellos.

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50. Jahrestag der Hinrichtung Adolf Eichmanns

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Er selbst hat sich stets als ideologiefreier Schreibtischtäter dargestellt: Adolf Eichmann hat mit bürokratischer Akribie den Holocaust geplant. Vor 1962 wurde er in Israel hingerichtet. Der Prozess gegen den Ex-Obersturmbannführer ist bis heute beispiellos.

Adolf Eichmann wurde am 19. März 1906 in Solingen geboren und zog als Kind mit seinen Eltern nach Österreich. Nach einem abgebrochenen Maschinenbaustudium und einer kaufmännischen Ausbildung war er als Vertreter tätig.

1932 trat er der österreichischen NSDAP und der SS bei. Nach deren Verbot in Österreich ging er 1933 nach Deutschland zurück und erhielt dort bei der SS eine militärische Ausbildung. 1934 wurde er Mitarbeiter des "Judenreferats" beim Hauptamt des Sicherheitsdienstes in Berlin, wo er die euphemistisch als "Auswanderung" betitelte Vertreibung der Juden aus Deutschland organisierte.

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Im August 1938 übernahm er den Aufbau und die Leitung der "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" in Wien, die Zehntausende österreichische Juden zur Auswanderung zwang und später deren Deportation organisierte. Von 1939 an errichtete er ein entsprechendes Amt in Prag.

Von 1941 an organisierte Eichmann, nunmehr im Rang eines SS-Obersturmbannführers, von seinem Berliner Büro aus mit einem kleinen Mitarbeiterstab die Deportation von etwa drei Millionen Juden in die Konzentrations- und Vernichtungslager. 1942 nahm er als Protokollführer an der Wannseekonferenz teil, auf der die Nazi-Führung die "Endlösung der Judenfrage", also den Holocaust, beschloss.

Auf dem Bild besucht Eichmann (2. v. r.) das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Grinsend beobachtet er, wie deutsche Offiziere einem jüdischen Gefangenen die traditionellen Schläfenlocken abschneiden.

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Nach dem Krieg konnte der hochrangige Naziführer dank alter Seilschaften zunächst in Deutschland untertauchen. 1950 gelang ihm die Flucht nach Argentinien - mit einem gefälschten Ausweis, den das Internationale Komitee vom Roten Kreuz am 1. Juni 1950 ausgestellt hatte.

Auf dem Dokument gibt sich Eichmann als der staatenlose Techniker Riccardo Klement aus. Es trägt den Stempel des argentinischen Konsulats in Genua und die Unterschrift des damaligen Vizekonsuls Pedro Solari Capurro. Neben dem Foto ist sein Fingerabdruck mit roter Tinte zu sehen.

Nur durch Zufall wurde der Pass 2007 in einem Museum in Buenos Aires gefunden.

FILE PHOTO - 50 Years Since The Execution Of Adolf Eichmann

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Aus im Juni 2006 freigegebenen CIA-Akten geht hervor, dass der Aufenthaltsort Eichmanns sowohl dem Bundesnachrichtendienst als auch der CIA bereits seit 1958 bekannt war. Andere Quellen gehen sogar davon aus, dass die Geheimdienste noch früher wussten, wo der ehemalige Obersturmbannführer sich aufhielt.

1960 spürte der israelische Geheimdienst Mossad Eichmann in Argentinien auf und entführte ihn in einer spektakulären Aktion auf offener Straße. Zu dieser Zeit hatten Israel und Argentinien kein Auslieferungsabkommen. Der Kriegsverbrecher wurde nach Israel gebracht und dort inhaftiert.

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1961 begann der Prozess gegen Eichmann in Jerusalem. Ihm wurden unter anderem Verbrechen gegen das jüdische Volk, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Außer ihm wurde nur ein weiterer mutmaßlicher Nationalsozialist in Israel angeklagt: John Demjanjuk, der 1993 wieder freigelassen wurde, weil er verwechselt worden war. Erst 2011 verurteilte ihn ein Münchner Gericht wegen seiner Taten, 2012 starb er in einem Pflegeheim.

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Eichmann stritt in dem Prozess jede juristische Schuld ab und behauptete, nur auf Befehl gehandelt zu haben. Diesem Bild des emotionslosen Schreibtischtäters widerspricht allerdings, dass er alle Konzentrations- und Vernichtungslager selbst besucht haben soll. Eichmann wurde Ende 1961 zum Tode verurteilt, 1962 wurde das Urteil vollstreckt. Es war die erste und letzte Hinrichtung der israelischen Geschichte.

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Das öffentliche Interesse an dem Fall war gewaltig, vor allem in Deutschland und Israel. Besonders umstritten war die Darstellung der Philosophin und Journalistin Hannah Arendt. Sie schrieb, das Beunruhigende am Mitorganisator des Massenmordes an den Juden sei, "dass er war wie viele und dass diese vielen weder pervers noch sadistisch, sondern schrecklich und erschreckend normal waren".

Er habe ohne ideologischen Eifer gehandelt und sei kein fanatischer Antisemit gewesen. Außerdem spricht die Autorin "von der furchtbaren Banalität des Bösen, vor der das Wort versagt und an der das Denken scheitert." Schon bei Veröffentlichung der Berichte erntete die deutsch-jüdische Emigrantin Kritik von jüdischen Organisationen. Sie sahen in Arendts Darstellung eine Verharmlosung des Holocaust und eine Bestätigung der von Eichmann selbst propagierten Schreibtischtäter-These.

Schalom Nagar

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Schalom Nagar hat das Urteil gegen Eichmann vollstreckt. Der Gefängniswärter wurde per Losverfahren ausgesucht und hatte den Mann, den er töten sollte, zuvor ein halbes Jahr lang bewacht und hautnah miterlebt. Meistens habe Eichmann tagsüber an einem Tisch gesessen und seine Erinnerungen aufgeschrieben, erzählt Nagar heute. Er selbst habe noch lange unter der Hinrichtung gelitten und fand schließlich Trost in der Religion.

© Süddeutsche.de/beitz/dpa/beu/bavo
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