Abschuss von türkischem Kampfflugzeug:"Amateurhaft oder böse Absicht"

Ganz so alltäglich, wie es Ankara darstellt, scheint der Flug der Phantom nicht gewesen zu sein. Laut dem türkischen Geheimdienst habe Syrien gewusst, dass es sich bei dem abgeschossenen Kampfjet um ein türkisches Flugzeug handele.

Christiane Schlötzer

Zunächst sah es so aus, als wollte die türkische Regierung jede Eskalation vermeiden. Nach einer Krisensitzung trat Premier Tayyip Erdogan in der Nacht zum Samstag nicht selbst vor die Kameras, sondern ließ nur eine Erklärung verlesen. Darin hieß es: Erst wenn der Vorfall "vollständig aufgeklärt" sei, werde man sich Reaktionen überlegen. Auch Präsident Abdullah Gül beschwichtigte. Gül sagte, sollte der türkische Jet versehentlich in syrischen Luftraum eingedrungen sein, dann sei dies "ohne böse Absicht geschehen". Am Sonntag aber war es dann ausgerechnet der Außenminister, der alle diplomatische Höflichkeit fahren ließ und den Ton verschärfte. Wenn die syrische Luftabwehr die F-4 als Bedrohung wahrgenommen habe, dann sei dies "entweder amateurhaft oder in böser Absicht" geschehen, polterte Ahmet Davutoglu im türkischen Staatssender TRT Haber.

Der türkische Kampfjet habe sich "in internationalem Luftraum" befunden, als er getroffen wurde, 13 Seemeilen vor der syrischen Küste, ließ Davutoglu wissen. Er präsentierte auch eine Erklärung dafür, warum die Piloten so niedrig flogen in Tartus: Es sei eine Routinemission gewesen, man habe die eigene Abwehr testen wollen. Ein simpler Testflug also?

"Kein Land kann sich erlauben, die Geduld der Türkei zu testen"

Ganz so alltäglich scheint der Flug der MD F-4 Phantom - unweit der syrischen Hafenstadt Latakia und des einzigen syrisch-russischen Marinestützpunkts - doch nicht gewesen zu sein. Der türkische Geheimdienst habe den syrischen Funkverkehr abgehört, sagte Davutoglu. Daraus gehe hervor, dass die andere Seite wohl gewusst habe, dass es eine türkische Maschine war. Wenn sich das bestätigen sollte und der Abschuss Absicht war, dann ändert dies die Lage in der Tat. "Kein Land kann sich erlauben, die Geduld der Türkei zu testen", meinte Davutoglu. Das klang fast dramatisch. Für Nervosität sorgte in Ankara zudem, dass Erdogan noch am Sonntag die Opposition im Parlament über die Angelegenheit informieren wollte - ein seltener Vorgang. Man wolle sich "alle Optionen offen" halten, hieß es in Regierungskreisen. Für eine Militäraktion bräuchte die Türkei nach der Verfassung die Zustimmung des Parlaments.

Türkische Kommentare im Internet warnten die Regierung vor zu viel Tremolo: Die F-4 sei ein altes Flugzeug, ungeeignet für Spionage; Syrien wolle gewiss keinen bewaffneten Konflikt mit der Türkei. Auch an Davutoglus Dogma - "Null Probleme mit den Nachbarn " - wurde erinnert. Letzteres gilt schon länger nicht mehr, vor allem nicht mit Syrien. Einst demonstrierten Syriens Staatschef Baschar al-Assad und der Türke Tayyip Erdogan innige politische Freundschaft. Als aber vor 15 Monaten die Revolte gegen Assad begann und syrische Truppen immer mehr Menschen töteten, da ließ Erdogan seinen einstigen Damaszener Freund fallen.

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