Abschluss des FDP-Parteitages:Reden über Russland und Flüchtlinge

  • Die FDP hat sich auf ihrem Parteitag für eine Wiederaufnahme Russlands in den Kreis der G8 und von Gesprächsforen wie dem Nato-Russland-Rat ausgesprochen.
  • Die Wirtschaftssanktionen sollen aber beibehalten werden; FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte zuletzt Zweifel an deren Wirksamkeit geäußert und sich damit gegen Parteichef Christian Lindner gestellt.
  • Nach einer Bemerkung zu illegalen Flüchtlingen wird Lindner Rassismus vorgeworfen.

Von Stefan Braun, Berlin

Die FDP hat sich auf ihrem Parteitag in Berlin mit großer Mehrheit für eine Wiederaufnahme Russlands in den Kreis der G8 und die Rückkehr zu Gesprächsforen wie dem Nato-Russland-Rat ausgesprochen. Gleichzeitig lehnten die Delegierten alle Anträge ab, die sich in unterschiedlichen Formen für ein Ende der Wirtschaftssanktionen gegen Russland aussprachen. Parteichef Christian Lindner bemühte sich bei dem Berliner Treffen, aus der Frage des Umgangs mit Russland keine Frage von Siegern und Verlierern zu machen. Denn es war ein klarer Sieg der Parteispitze gegen Wolfgang Kubicki und einzelne ostdeutsche Landesverbände. Insbesondere der Landesvorsitzende von Thüringen, Thomas Kemmerich, hatte für eine Öffnung geworben.

Kubicki verteidigte seinen Ruf nach einer Lockerung mit einem Verweis auf das Außenwirtschaftsgesetz. Er betonte, dieses gestatte ausdrücklich auch Sanktionen, verlange dabei aber eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit.

Der Position von Kemmerich und Kubicki wurden in Berlin leidenschaftliche Plädoyers der Kritiker eines solchen Kurswechsels entgegengestellt. Der stellvertretende Fraktionschef Alexander Graf Lambsdorff warb für einen künftigen Kurs gegenüber Russland, bei dem die FDP an den Sanktionen festhält, solange Moskau nichts an seinem Verhalten in der Ostukraine ändert. Er sprach sich aber auch dafür aus, verschüttete Kommunikationskanäle wieder zu öffnen. Als Beispiele nannte er den EU-Russland-Dialog und den Nato-Russland-Rat. Außerdem trat er dafür ein, Russland wieder in den Kreis der G8 einzuladen, zum Beispiel als G7 plus 1. Lambsdorffs Botschaft: Man solle Russland "mit ausgestreckter Hand und gradem Rücken" begegnen.

Auf dem Parteitag dominierte ohnehin die außenpolitische Lage alle anderen Themen. So hatte schon Parteichef Lindner seinen Auftritt am Samstag mit einem Appell für mehr Europa eröffnet. Unter dem Applaus der Delegierten plädierte er für eine schnelle Antwort auf die vielen Initiativen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und verband dies mit scharfer Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Angesichts der weltpolitischen Lage sei politische Führung jetzt bitter nötig. Genau das aber lasse Merkel vermissen. "Wenn Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher 1989 genauso gehandelt hätten, hätte es die Wiedervereinigung nie gegeben", klagte Lindner. Er selbst sprach sich unter anderem für eine gemeinsame Verteidigungspolitik, einen gemeinsamen digitalen Binnenmarkt und einen europäischen Währungsfonds aus, um Europa neue Kraft einzuhauchen. Lindner ließ offen, ob er auch in finanziellen Fragen mehr Gemeinsamkeiten mit Macron finden kann. Er wollte diesmal vor allem über das sprechen, was verbindet.

Ansonsten zeigte sich in Berlin, wie mühsam es für die FDP noch werden könnte, den Schwung aus dem Wahljahr in die Zukunft zu retten. So warb die Parteiführung beim FDP-Herzensthema Digitalisierung für mehr Elan beim Ausbau. Und als Beleg für Deutschlands Rückständigkeit verwies Lindner darauf, dass in Frankreich ein Digitalministerium geschaffen wurde, während hierzulande gerade ein Heimatministerium entstehe. Doch obwohl viele Delegierte bei diesem Hinweis heftig applaudierten, erinnerte hinterher mancher daran, dass ihnen bis heute viele Anhänger vorwerfen würden, sie hätten durch das Jamaika-Nein selbst einen solchen Neuanfang verhindert.

Ausgerechnet in den sozialen Netzwerken sorgten dann folgende Bemerkungen Lindners für ein spitzes Echo: "Man kann beim Bäcker in der Schlange nicht unterscheiden, wenn einer mit gebrochenem Deutsch ein Brötchen bestellt, ob das der hoch qualifizierte Entwickler künstlicher Intelligenz aus Indien ist oder eigentlich ein sich bei uns illegal aufhaltender, höchstens geduldeter Ausländer."

"Ich bin soeben aus der FDP ausgetreten"

Um die Gesellschaft zu befrieden, müssten "sich alle sicher sein, dass jeder, der sich bei uns aufhält, sich auch legal bei uns aufhält", hatte Lindner gesagt. Das sicherzustellen, sei Aufgabe einer "fordernden, liberalen rechtsstaatlichen Einwanderungspolitik".

Chris Pyak, der bei der europäischen liberalen Parteien-Dachorganisation Alde aktiv ist, verkündete daraufhin per Twitter. "Ich bin soeben aus der FDP ausgetreten." Laut Pyak habe Christian Lindner "in seiner Rede allen Nazis einen Vorwand geliefert dunkelhäutige Menschen zu drangsalieren." Damit löste Pyak eine breite Diskussion im Internet aus.

Christian Lindner äußerte sich dazu am Sonntag per Videobotschaft: "Wer in meinen Äußerungen Rassismus lesen will oder Rechtspopulismus, der ist doch etwas hysterisch unterwegs. Ich glaube, solche Debatten muss man nüchterner und vernünftiger führen."

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