Abschiebungen:Wer ein Gefährder ist

Ein lange unbekannter Paragraf und seine steile Karriere.

Von Wolfgang Janisch

Kaum jemand hatte vor einem Jahr den "Gefährder"-Paragrafen auf der Rechnung, mit dem man womöglich den Berlin-Attentäter Anis Amri rechtzeitig hätte loswerden können. Nun hat er einen Schnelldurchlauf durch drei oberste Gerichte hinter sich. Nach Bundesverwaltungsgericht und Verfassungsgericht hat nun auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das neu entdeckte Instrument gebilligt, mit dem die Sicherheitsbehörden sogenannte Gefährder wenigstens dann loswerden können, wenn sie einen fremden Pass haben.

Die Lehre daraus lautet natürlich, dass man erst mal bestehende Gesetze anwenden muss, bevor man nach neuen ruft. Selbst der Gerichtshof für Menschenrechte hebt hervor: Beim Kampf gegen den Terrorismus sei es den Staaten erlaubt, Ausländer abzuschieben, die eine Bedrohung für die nationale Sicherheit seien.

Freie Bahn für fragwürdige Abschiebungen gewähren die Gerichte dennoch nicht - und das ist richtig so. Auch nach dem aktuellen Fall gilt, dass niemand in die Hände von Folterern abgeschoben werden darf. Hinzu kommt: Wer ein "Gefährder" ist, werden die Behörden auch in Zukunft gerichtsfest mit Tatsachen belegen müssen. Ein "Gefährder", dies nur zur Erinnerung, ist kein Straftäter und kein Terrorist, sondern nur einer, der es werden könnte. Ein paar rechtsstaatliche Skrupel sollte man sich bei der Vergabe dieses Titels schon noch bewahren.

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