Abschiebungen:Afghane darf bleiben

Zweimal sollte der Mann bereits abgeschoben werden. Beide Versuche platzen jeweils in letzter Minute. Der Fall führte zu Streit in der grün-schwarzen Regierung Baden-Württembergs. Doch nun lenkt das Bamf ein.

Von Bernd Kastner

Ahmad Hassani (Name geändert) darf in Deutschland bleiben. Das ist bemerkenswert, weil Hassani zweimal nach Afghanistan abgeschoben werden sollte, und das von Baden-Württemberg aus. Beide Versuche sind jeweils in letzter Minute gescheitert, weshalb Hassani zum wohl bekanntesten und umstrittensten Abschiebefall wurde, seit die Bundesregierung Flugzeuge für abgelehnte Asylbewerber nach Kabul chartert. Nun haben sich die Unterstützer des 56-Jährigen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geeinigt: Die Europäische Menschenrechtskonvention schützt Hassani vor der Zwangs-Rückkehr, es gilt ein Abschiebeverbot für ihn. Er sieht sich von den Taliban bedroht, gegen die er einst als Kommandeur einer kleinen Mudschahedin-Einheit gekämpft habe.

Der Fall hatte für Zwist in der grün-schwarzen Koalition in Stuttgart gesorgt: Innenminister Thomas Strobl (CDU) verfolgt einen harten Abschiebe-Kurs, den Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) grundsätzlich unterstützt. Nach der Blamage im Fall Hassani aber meldete der Regierungschef öffentlich "Gesprächsbedarf" an. Gespräche an ganz anderer Stelle sind nun zu einem für den Afghanen positiven Ergebnis gekommen: "Wir sind dankbar für diese schnelle Lösung", sagt Anwältin Anne Feßenbecker in Richtung Bamf. Sie kümmert sich seit Januar zusammen mit Jürgen Blechinger von der Diakonie und dem Gefängnispfarrer Andreas Quincke um Hassani. Es ist wohl das erste Mal, dass sich in Deutschland jemand des Afghanen annimmt und ihm zuhört.

Der 56-jährige ist psychisch und physisch krank - und hat Angst vor den Taliban

Seit Dezember schicken die Bundesregierung und mehrere Bundesländer abgelehnte Asylbewerber in Sammelfliegern nach Afghanistan, was politisch wegen der unsicheren Lage dort hoch umstritten ist. Am 24. Januar stand Hassani schon auf dem Asphalt des Kabuler Flughafens, da brach er mit einem schweren Schwindelanfall zusammen. Die afghanischen Behörden schickten ihn sofort zurück, weil er ihnen zu krank war. Einen Monat später versuchten es die deutschen Behörden erneut. Der Mann saß schon im Polizeiwagen, der ihn vom Abschiebegefängnis in Pforzheim zum Flughafen bringen sollte, da intervenierte das Bundesverfassungsgericht: Der jüngste Asylantrag von Hassanis Anwältin war von Bamf und Gerichten nicht ausreichend gewürdigt worden. Hassani kam frei, das war Ende Februar.

Er lebt seit 2003 in Deutschland. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er beschaffte sich einen gefälschten französischen Pass, flog auf, wurde zu sechs Monaten Haft verurteilt; er stellte Asylfolgeanträge, scheiterte wieder, durfte aber mit einer Duldung bleiben; er hatte jahrelang Arbeit, ehe man ihm die Arbeitserlaubnis entzog. Anfang Januar kam er in Abschiebehaft. Anwältin Feßenbecker reichte nach der ersten gescheiterten Abschiebung neue medizinische Gutachten ein, aus denen hervorgeht, wie krank ihr Mandant ist, psychisch und physisch, und welcher Gefahr er durch die Taliban ausgesetzt wäre. Dies veranlasste das Bamf, frühere Entscheidungen zu korrigieren.

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