Abschiebung von Flüchtlingen:Massiv Afghanen abzuschieben, das verrät alle humanitären Prinzipien

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Trauer um Farkhunda, eine junge Afghanin, die in Kabul von einem Mob gelyncht worden ist (Archivbild) (Foto: AP)

Die Bundesregierung will Afghanen in ihre Heimat zurückverfrachten. Doch "innerstaatliche Fluchtalternativen" wird man in dem Land nicht finden.

Kommentar von Stefan Klein

Es war eine einfache Frage, und sie stand auf einem Plakat, das an einer Straße in Kabul hing. "Haben alle afghanischen Flüchtlinge das Recht, in Deutschland zu bleiben?" Die Antwort darunter: "Diese Annahme ist falsch. Es gibt keine Garantie." Jeder einzelne Fall werde von den deutschen Behörden untersucht, und solche Afghanen, welche die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllten, müssten Deutschland verlassen und wieder zurückkehren nach Afghanistan.

Es wurden viele solche Plakate aufgehängt in Afghanistan, auch virtuell auf Facebook, immer nach demselben Muster. Es war ein tapferer Versuch des Auswärtigen Amtes, Gerüchten entgegenzuwirken und den Eindruck zu zerstreuen, Deutschland sei ein Land, in dem jeder afghanische Flüchtling mit offenen Armen empfangen werde. Optimistisch nahm man offenbar an, jeder Afghane könne lesen, und Fluchtbereite würden angesichts so schroffer Wahrheiten ihre Pläne unverzüglich fallen lassen.

Das war ein frommer Wunsch. Afghanen sind Furchtbares gewöhnt, seit Jahrzehnten schon, und eine fehlende Asylgarantie gehört vermutlich zu den geringeren Schrecken in ihrem Leben. 200 000 von ihnen sind 2015 in Europa angekommen, mehr als zwei Drittel von ihnen, 154 000, sind in Deutschland gelandet. Es gibt im Land inzwischen eine große afghanische Diaspora, die wirkt als Brückenkopf und zieht weitere Afghanen nach.

Wer keinen Abschiebeschutz erhält, etwa jeder fünfte, der soll in Zukunft konsequent abgeschoben werden. So will es Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der gerade in Kabul zu Besuch ist.

Krieg ist Krieg

Und weil jeder Plan eine schlüssige Grundlage braucht, ist man auf den Begriff der "innerstaatlichen Fluchtalternativen" verfallen. Das heißt nichts anderes, als dass man Afghanen in solche Regionen zurückverfrachten will, die noch als einigermaßen sicher gelten können. Die Frage ist nur: Gibt es solche Regionen überhaupt in dem Bürgerkriegsland am Hindukusch?

Ja, rufen da die Diplomaten gerne und verweisen zum Beispiel auf die Hauptstadt Kabul. Wie sicher die ist, kann man unter anderem an den inzwischen festungsähnlich ausgebauten Botschaften erkennen, in denen sich das Personal verschanzt. Der gewöhnliche Afghane trägt dagegen ein größeres Risiko. Auf den Straßen seiner Hauptstadt hat es im vergangenen Jahr 26 Selbstmordattentate gegeben - mit Hunderten Toten und Verletzten. Just am Montag, während de Maizières Visite, tötete ein Attentäter mehrere Menschen, als er eine Polizeiwache angriff.

Krieg ist Krieg, und selbst in vergleichbar ruhigen Provinzen wie Bamian oder Pandschir kann sich die Lage jederzeit ändern; zum Ansiedeln größerer Gruppen von Rückkehrern eignen sich diese Provinzen nicht. So verständlich es sein mag, dass die Koalition in Berlin nach Wegen sucht, um den Flüchtlingsdruck zu verringern, in Afghanistan wird man sie nicht finden - es sei denn, man wäre bereit, alle humanitären Prinzipien zu verraten, für jene die westliche Zivilisation noch steht.

Überdies spricht einiges dafür, dass die Afghanen sich gegen die Abschiebepläne des Innenministers heftig sperren werden. Es ist nicht wahrscheinlich, dass Thomas de Maizière aus Kabul mit Erfolgsmeldungen zurückkehren wird. Sinnvoller wäre eine Investition in den Friedensprozess, der unter Beteiligung der Amerikaner, Pakistaner und Chinesen gerade wieder in Gang gebracht werden soll.

Vielleicht lohnt ja auch ein Blick nach Iran. Nach dem Ende der Sanktionen könnte Afghanistans Nachbar vor einer wirtschaftlichen Blüte stehen, und vielleicht hat das Land dann ja Bedarf an all den Afghanen, die derzeit auf dem Weg nach Europa durchziehen.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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