Abhör-Affäre:G10-Kommission bremst BND aus

  • Die G10-Kommsion des Bundestages macht offenbar einen Teil ihrer Drohung wahr und beendet zwei Spähaktionen des BND. Das berichtet die ARD.
  • Die Kommission hatte nach Informationen der SZ mit solchen Schritten gedroht, sollte sie nicht Einblick in die umstrittenen Selektoren-Listen der NSA bekommen.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die G10-Kommission des Bundestages hat womöglich einen Teil ihrer Drohung wahr gemacht und zwei befristete Abhöraktionen des Bundesnachrichtendienstes (BND) nicht verlängert. Das berichtet bisher unbestätigt das ARD-Hauptstadtstudio ohne genauere Quellenangabe. Eine der Überwachungen soll auf illegalen Waffenexport gerichtet sein.

Nach Informationen der SZ hatten die Mitglieder der G10-Kommission der Bundesregierung bis zu einer Sondersitzung an diesem Mittwoch ein Ultimatum gesetzt. Bis dahin sollten die vier Kommissionsmitglieder und ihre jeweiligen Stellvertreter Einblick in die umstrittene Liste mit womöglich illegalen Suchbegriffen, so genannten Selektoren, des amerikanischen Geheimdienstes NSA bekommen. Andernfalls würden Abhör-Genehmigungen wenn überhaupt nur noch äußerst zurückhaltend erteilt. Auch rechtliche Schritte wurden angedroht, bis hin zu einer Organklage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Die Verärgerung in der Kommission muss groß sein

Die G10-Kommission gehört zu den Geheimdienst-Kontrollgremien des Bundestages. Sie genehmigt Überwachungsaktionen, von denen deutsche Staatsbürger betroffen sein könnten. Ihre Mitglieder tagen selbst unter äußerster Geheimhaltung. Die Tatsache, dass die Drohungen gegenüber der Bundesregierung publik wurden, zeigt, wie groß die Verärgerung in dem Gremium sein muss.

Die NSA hat offenbar über Jahre hinweg Analyserechner des Bundesnachrichtendienstes mit Selektoren gefüttert, die auf deutsch-europäische Konzerne wie EADS, Eurocopter und europäische Ministerien abzielen. Dass unter den überwachten Personen auch deutsche waren, gilt als wahrscheinlich.

Dem BND ist bereits 2005 aufgefallen, dass mit den Selektoren der NSA etwas faul ist. Erst im März dieses Jahres aber soll angeblich die Hausspitze umfänglich informiert worden sein.

Die G10-Kommission hätte schon von Beginn an unterrichtet werden müssen. Zweck der G10-Kommision ist, deutsche Staatsbürger vor ungerechtfertigten Überwachungen der deutschen Geheimdienste zu schützen. An den BND sind die Maßstäbe besonders streng. Als Auslandsgeheimdienst darf er ausschließlich Ausländer im Ausland überwachen.

Unklar ist, ob der Stopp der beiden Überwachungsaktionen des BND tatsächlich in direktem Zusammenhang mit den Drohungen der G10-Kommsion steht. Auch in der Vergangenheit wurden - wenn auch selten - stets befristete Spähaktionen nicht verlängert.

Die Amerikaner sollen die Selektorenliste freigeben

Die Bundesregierung führt angeblich seit Wochen so genannte Konsultationsgespräche mit der amerikanischen Seite. In den Gesprächen sollen die Amerikaner zur Freigabe der Selektoren-Liste für die deutschen Geheimdienst-Kontrollgremien und den NSA-Untersuchungsauschuss des Bundestages bewegt werden. Bisher allerdings ohne nennnenswerten Erfolg. Eine Entscheidung will die Bundesregierung erst nach dem Ende der Verhandlungen fällen. Wann das sein wird, ist bisher nicht abzusehen.

Möglich ist allerdings auch, dass es sich mit den Konsulationsgespächen ähnlich verhält wie mit den angeblichen Verhandlungen über ein No-Spy-Abkommen. Immer wieder hat die Bundesregierung ab Sommer 2013 versichert, so ein No-Spy-Abkommen sei von den Amerikanern angeboten worden und werde mit diesem Ziel verhandelt. Inzwischen ist klar, dass die politischen Entscheider in den USA zu keinem Zeitpunkt so ein Abkommen befürwortet haben.

Die Seite Netzpolitik.org hat jetzt Dokumente veröffentlicht, die belegen, dass die Bundesregierung noch im Januar 2014 die Öffenlichkeit über den Fortschritt der Verhandlungen bewusst in die Irre geführt hat. Obwohl die Zeichen aus den USA längst eindeutig waren, schreiben Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes in einem Vermerk vom 14. Januar an die Leitung: Es erscheine "nicht angebracht, bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt vom Ende der Verhandlungen zu sprechen".

In einer beigefügten "Kommunikationslinie" wird folgendes als Verlautbarung nach außen vorgeschlagen. "Diese Gespräche wird die Bundesregierung fortführen, bis bestehende Fragen in diesem Zusammenhang abschließend geklärt sind und ein aus deutscher Sicht zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden kann."

"Dies wird kein No-Spy-Abkommen werden"

An diese Kommunikationslinie haben sich Regierungssprecher Steffen Seibert und seine Stellvertreterin Christiane Wirtz am 15. und 17. Januar 2014 penibel gehalten. Wirtz sagte am 15. Januar: "Dazu kann ich zunächst einmal sagen, dass die Gespräche über dieses Abkommen weiter andauern. Der Kanzlerin ist sehr wohl bewusst, dass das ein dickes Brett ist, das es da zu bohren gilt, und dass auch Geduld gefragt ist, um dabei zu Übereinstimmungen zu kommen. Es gibt sicherlich Meinungsverschiedenheiten, aber deshalb werden ja auch die Gespräche geführt, damit man darüber zu einer Übereinkunft kommt."

Zwei Tage später wiederholte Seibert auf die Frage, ob die Bundesregierung noch Hoffnung auf ein No-Spy-Abkommen hab "was wir gesagt haben, nämlich dass wir in intensiven Gesprächen mit den Amerikanern sind und dass diese Gespräche andauern."

Nur war zu dem Zeitpunkt sonnenklar, dass weitere Gespräche mit dem Ziel eines No-Spy-Abkommens keinen Sinn mehr hatten. Wenige Tage zuvor nämlich, am 8. Januar 2014, hatte der deutsche Unterhändler Christoph Heusgen von US-Seite eine Mail erhalten, in der es heißt: "Dies wird kein No-Spy-Abkommen werden, und ich glaube, jeder hier auf unserer Seite hat das auch fortwährend die ganze Zeit über klar zum Ausdruck gebracht."

Gut möglich, dass die Konsultationsgespräche gerade ähnlich fruchtbar verlaufen.

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