Abgas-Skandal:Großrazzia bei Audi

Neuer Schock für VW: Fahnder durchsuchen Büros der Konzerntochter in Ingolstadt. Auch die Premiummarke soll Dieselmotoren gezielt für den Markt in den USA manipuliert haben.

Von Hans Leyendecker, Georg Mascolo, Klaus Ott und Nicolas Richter

Rupert Stadler Vorstandsvorsitzender der AUDI AG steht vor Beginn der Jahrespressekonferenz der AU

Hat Audi-Chef Stadler (dritter von rechts), hier mit Vorstandsmitgliedern neben einem Audi SQ5, Aufsichtspflichten verletzt? Er bestreitet das.

(Foto: Stephan Görlich/imago)

Die Affäre um gefälschte Abgaswerte hat nun auch den Autohersteller Audi erfasst. Die Polizei durchsuchte am Mittwochmorgen Büros der Konzernzentrale im bayerischen Ingolstadt sowie an Standorten in Baden-Württemberg und Niedersachsen. Auch Privatwohnungen waren betroffen. Die Staatsanwaltschaft München II hatte schon vor Wochen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Betrug und strafbare Werbung eingeleitet.

Während die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen der Abgasaffäre seit nunmehr anderthalb Jahren gegen Mitarbeiter von VW ermittelt, tat sich bei Audi zunächst lange nichts. Eine Wende brachten erst die Ermittlungen der US-Justiz. Diese hatte im Januar ein halbes Dutzend VW-Manager angeklagt und in der Klageschrift auch schwere Vorwürfe gegen Audi erhoben. Gleichzeitig veröffentlichten die amerikanischen Behörden ein "Statement of Facts", eine Tatsachen-Darstellung, auf die sich die US-Regierung und VW zuvor geeinigt hatten. Demnach erkennt VW an, dass auch Audi an der Täuschung amerikanischer Behörden und Verbraucher mitgewirkt hat.

Im Mittelpunkt steht ein Dieselmotor mit drei Litern Hubraum, den Audi speziell für den US-Markt entwickelt hat, er wurde etwa in den Modellen A 6 Quattro, A 7 Quattro, Q 5 und Q 7 sowie im Porsche Cayenne verbaut, insgesamt in 80 000 Fahrzeugen. Den amerikanischen Ermittlern zufolge ist der Motor mit einem "Defeat Device" ausgerüstet. Diese Funktion erkennt, wann das Auto auf dem Prüfstand der US-Behörden getestet wird. Im Testmodus spritzt das Fahrzeug so viel Harnstoff ("AdBlue") in die Abgase, dass die Menge an ausgestoßenem Stickoxid den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Im Normalbetrieb auf der Straße dagegen wird die Abgasreinigung heruntergefahren, um Harnstoff zu sparen.

Der Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft richtet sich derzeit nicht gegen einzelne Audi-Manager; die Ermittlungen laufen noch gegen unbekannt. So ähnlich hatte auch die strafrechtliche Aufarbeitung der Dieselaffäre von VW durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig begonnen: Die Strafverfolger hatten zunächst gegen unbekannt ermittelt - nun gibt es etliche Beschuldigte. Die Durchsuchungen vom Mittwoch bei Audi sollen klären, "welche Personen an der Verwendung der maßgeblichen Technik und ggf. an unrichtigen Angaben gegenüber Dritten beteiligt waren", erklärte die Staatsanwaltschaft München II. Die mutmaßlichen Straftaten bei Audi betreffen ausschließlich die Geschäfte auf dem amerikanischen Markt.

Für den gebeutelten Volkswagen-Konzern, zu dem Audi gehört, erreicht der Abgas-Skandal damit eine neue Dimension. Seit September 2015 hat die Affäre um manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen dem Autohersteller erheblich zugesetzt. VW muss in den USA Schadenersatz und Strafen in Höhe von mehr als 20 Milliarden Dollar zahlen. Die Konzerntochter Audi, die für besondere Qualität und Innovation steht und verhältnismäßig hohe Gewinne abwirft, war allerdings bisher weitgehend verschont geblieben, sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch in strafrechtlicher Hinsicht.

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