Abgang von Saakaschwili in Georgien:Der Verschlimmbesserer

Wahlen in Georgien

Hat nach zehn Jahren einen friedlichen Machtwechsel eingeleitet: Georgiens Präsident Michail Saakaschwili

(Foto: dpa)

Vor zehn Jahren haben die Georgier Michail Saakaschwili mit der Rosenrevolution an die Macht getragen. Als Präsident hat der 45-Jährige zwar das Land gründlich verändert, doch viele Probleme sind geblieben. Sein größtes Vermächtnis? Der friedliche Rückzug von der Macht.

Von Julian Hans, Tiflis

So muss sich Freiheit anfühlen. Mit wilden Sprüngen jagt ein weißes Kaninchen durch den präsidentiellen Garten, Kameramänner und Mikrofon-Träger hinterher, an der Spitze der Meute der Präsident selbst: Michail Saakaschwili auf Abschiedstournee. Er hat die Journalisten eingeladen, damit die Georgier sehen, dass er wirklich geht. Die Abendnachrichten zeigen einen gut gelaunten Saakaschwili in Jeans und offenem Hemd, wie er mit seiner Frau Sandra Roelofs Kisten packt. Das Kaninchen soll auch mit. Am Sonntag wählt Georgien einen neuen Präsidenten, Saakaschwili darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten, und so räumt er seinen Platz für einen Nachfolger.

Im südlichen Kaukasus geht eine Ära zu Ende. Vor zehn Jahren haben die Georgier Michail Saakaschwili in der Rosenrevolution buchstäblich auf Händen ins Amt getragen. Seitdem hat er den Staat gründlich umgekrempelt, aber viele Probleme sind geblieben.

Drei große Ziele hatte Saakaschwili, als er im Januar 2004 mit 36 Jahren als jüngstes Staatsoberhaupt seiner Zeit das Amt antrat: Er wollte das im Bürgerkrieg Anfang der Neunzigerjahre zersplitterte Land einen, die Korruption besiegen und Georgien in die Europäische Union und in die Nato führen. Manches davon hat er erreicht, anderes hat er durch seinen Eifer noch schlimmer gemacht. Im Korruptionsindex von Transparency International steht Georgien heute auf Rang 51 und damit besser da als viele Mitgliedsstaaten der EU wie Tschechien, Lettland, die Slowakei oder Rumänien. 2004 war Georgien noch auf Rang 99.

Der Sprung ist das Ergebnis einer Verwaltungsreform, wie es sie vorher noch nirgends gegeben hat: Fast die gesamte Polizei wurde entlassen, die neuen Bewerber durchliefen ein strenges Auswahlverfahren, bekamen schicke Uniformen und moderne Dienstwagen, gesponsert von den USA. Sie entwickelten schnell etwas, was bei Polizisten in Nachfolgestaaten der Sowjetunion selten zu finden ist: eine Berufsehre.

Umsichtiges Verhandeln gehört nicht zu seinen Stärken

Zunächst schien es, als könne Saakaschwili auch bei der Einigung seines Landes ähnlich rasch Erfolge vorweisen. Kein Jahr dauerte es, bis die abtrünnige Provinz Adscharien an der Grenze zur Türkei wieder unter der Verwaltung von Tiflis stand. Doch die Kluft zu den anderen beiden Provinzen, Abchasien und Südossetien, ist heute tiefer als zuvor. Nach dem Fünf-Tage-Krieg mit Russland im August 2008 hat Moskau die beiden Gebiete diplomatisch als souveräne Staaten anerkannt. Zwar hat sich dieser Auffassung außer Nicaragua, Venezuela und einiger winziger Inselstaaten niemand angeschlossen, doch im Kreml weiß man genau, dass weder die Nato noch die EU große Lust hat, einen Staat aufzunehmen, der Konflikte um seine Grenzen hat.

Da helfen auch alle Fortschritte nicht, die Georgien beim Umbau von Wirtschaft und Verwaltung gemacht hat, um den Kriterien Brüssels zu genügen. Und auch nicht die Entsendung georgischer Soldaten, die an der Seite der Amerikaner im Irak gekämpft haben.

Seine Abschiedsrede vor der Weltgemeinschaft hat Saakaschwili bereits vor einem Monat gehalten. Sein Auftritt vor der UN-Vollversammlung am 25. September enthielt das Kondensat seiner Weltsicht, das Vermächtnis seiner Politik, die Warnung: Nehmt euch in Acht vor Russland! Jeder im Saal konnte spüren, wie er innerlich kochte, mehrmals musste sich Saakaschwili den Speichel aus dem Gesicht wischen, als er gegen seinen russischen Kollegen Wladimir Putin wetterte: "Es macht mich krank, wenn der KGB-Offizier Wladimir Putin die Welt über Frieden, Werte und Demokratie belehrt."

Russland wolle keine unabhängigen und stabilen Staaten an seinen Grenzen. Putins Projekt einer Eurasischen Union habe nur ein Ziel: die Wiedererrichtung des sowjetischen Imperiums aus hörigen Vasallen. Die russische Delegation verließ unter Protest den Saal.

Vision von einem vereinten Georgien geht nicht in Erfüllung

Der Auftritt vermittelte einen Eindruck davon, wie Saakaschwili als Präsident sich selbst den eigenen Erfolg beschädigt hat. Umsichtiges Verhandeln und geduldiges Taktieren gehören nicht zu seinen Stärken. Wenn er sich im Recht fühlt, gehen ihm bisweilen die Pferde durch. Der einstige Volksheld ließ Demonstrationen mit Gewalt niederschlagen und verhängte den Ausnahmezustand, als sein Volk im November 2007 plötzlich gegen ihn protestierte. In der Folgezeit verschärfte er die Kontrolle über die Medien, Fernsehsender bekamen Listen, was in den Nachrichten an welcher Stelle zu behandeln sei. Überall witterte Saakaschwili russische Spione und Saboteure, der Geheimdienst sammelte Material über politische Gegner, um sie zu erpressen.

Vielleicht hat Saakaschwili im Sommer 2008 seine letzte Chance gesehen, um seine Vision vom geeinten Georgien doch noch in Erfüllung gehen zu sehen. Sein Volk hatte sich gegen ihn gewandt und in den USA drohte er durch den Abgang von George W. Bush seinen engsten Verbündeten zu verlieren. Doch weder die Nato noch die USA waren so töricht, Saakaschwili in den Krieg mit der russischen Armee um Südossetien zu folgen. Ein EU-Bericht stellte hinterher fest, dass die Georgier den ersten Schuss abgegeben hatten. Damit hatte sich Saakaschwili auch international zum Paria gemacht.

Der Respekt der Weltgemeinschaft kam erst zurück, als Saakaschwili nach der Parlamentswahl vor einem Jahr die Niederlage seiner Partei Nationale Bewegung eingestand und die friedliche Machtübergabe einleitete. Einen demokratischen Machtwechsel hat es in der Region zuvor nicht gegeben. Vielleicht ist das Saakaschwilis größtes Vermächtnis.

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