Abbas und seine Söhne:Die Regierungsfirma

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Filz und Vetternwirtschaft in der Autonomiebehörde sorgen für Verdruss in den Palästinensergebieten. Jetzt wird auch über die Präsidentenfamilie geredet.

Von Peter Münch

Ramallah brodelt wie immer, der Präsident Mahmud Abbas ist wie so oft auf Reisen, und seine Söhne gehen ihren Geschäften nach. Im 6. Stock des "Padico"-Hauses hat Tarek Abbas einen gut dotierten Arbeitsplatz. Hier residiert die Arab Palestinian Investment Company (Apic), in der der 50-jährige Präsidentenspross ein paar Schlüsselpositionen innehat. 1994 war Apic mitmilfe der Kanzlei Mossack Fonseca auf den Britischen Jungferninseln registriert worden, und wer der Geschichte dieser Firma nachgeht, landet in einem Gestrüpp aus Geld und Macht, Politik und Geschäft. Auch die Machtkämpfe im Palästinenserlager spiegeln sich in diesem Unternehmen.

Als Apic im September 1994 fernab vom Nahen Osten gegründet wurde, war die Registrierung als Offshore-Firma gewiss die schnellste und einfachste Art, um in Ramallah ins Geschäft zu kommen. Es war die Zeit kurz nach den Osloer Friedensverträgen. Die damals von Jassir Arafat geführte Palästinensische Autonomiebehörde steckte noch in den chaotischen Anfängen, und die bei Apic versammelten Investoren aus der arabischen Welt verfolgten ein klares Ziel: Die Lage erfordere "die Schaffung von Arbeitsplätzen, damit die palästinensische Wirtschaft nicht der israelischen zum Opfer" falle, heißt es in einer Mitteilung über die acht Monate nach der Registrierung in einem Hotel in Dubai abgehaltene erste Generalversammlung von Apic, die sich in den Panama Papers findet.

In den mehr als zwei Jahrzehnten, die seither vergangen sind, darf dieses Ziel als erfüllt gelten: Apic ist einer der größten Investoren in den Palästinensergebieten, ein Unternehmen mit mehr als 1500 Beschäftigten. Die insgesamt neun Tochterunternehmen liefern fast alles, was man zum Leben braucht - Nahrungsmittel, Zigaretten, Autos und Medizinbedarf, sie bauen Shoppingmalls und machen Werbung. Seit 1996 ist Apic mit Sitz auf den Jungferninseln auch beim Wirtschaftsministerium als ausländische private Aktiengesellschaft registriert. 2013 wurde das Unternehmen umgewandelt in eine Publikumsaktiengesellschaft, seit März 2014 ist Apic an der palästinensischen Börse notiert.

Und die Firma hat Verbindungen zur Regierung. 18 Prozent der Apic-Anteile werden vom "Palestine Investment Fund" (Pif) gehalten, der 2003 auf Druck der Geberländer eingerichtet worden war, um mehr Transparenz in die Geschäfte der Autonomiebehörde zu bringen. Zusammengefasst sind hier alle Besitztümer und Anlagen der Behörde. Schon 2000 war Arafats Finanzberater Mohammed Raschid bei Apic in den Aufsichtsrat eingezogen.

Laut den Panama Papers hält einer der Abbas-Söhne selbst Anteile an Apic

Raschid, seit 2003 auch Pif-Vorsitzender, ist eine durchaus schillernde Figur: ein irakischer Kurde, der weltweit mit den Millionen der PLO jonglierte. Sein Stern sank jedoch schnell nach Arafats Tod im November 2004. Schon einen Monat später musste er zusammen mit acht weiteren Board-Mitgliedern seinen Apic-Posten räumen. 2012 schließlich wurde er von einem palästinensischen Gericht in Abwesenheit wegen Unterschlagung von 34 Millionen Dollar zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Nach Arafats Tod hat Mahmud Abbas die Macht in Ramallah übernommen - und im März 2006 zog dessen Finanzberater Mohammad Mustafa in den Apic-Aufsichtsrat ein, nachdem er zuvor auch den Pif-Vorsitz übernommen hatte. Parallel dazu machte der Präsidentensohn Tarek Abbas Karriere bei Apic. 1999 hatte das Unternehmen die PR-Firma Sky Advertising erworben, deren Vize-CEO damals Tarek Abbas war. Im selben Jahr noch wurde er zum CEO ernannt, heute sitzt er dem Sky-Aufsichtsrat vor. Zugleich ist er Vize-Vorsitzender einer Apic-Tochter, die in den Palästinensergebieten mehrere Einkaufszentren betreibt, sowie Aufsichtsratsmitglied des Tochterunternehmens Unipal General Trading Company. Seit 2011 sitzt Tarek Abbas auch im zehnköpfigen Apic-Aufsichtsrat.

Tarek Abbas ist bei Apic eine große Nummer - doch offenbar hat Mossack Fonseca bei der Überprüfung des prominenten Namens keinerlei Verbindung zur palästinensischen Präsidentenfamilie hergestellt. Den der SZ vorliegenden Papieren zufolge wurde er nicht als "PEP" identifiziert, als "politically exposed person", bei der besonders darauf geachtet werden müsste, dass diese Person nicht in Korruption, Geldwäsche oder Steuerflucht verwickelt ist.

Unbekannt blieb bislang auch, dass der Präsidentensohn, wie es nun die Panama Papers nahelegen, Anteile an Apic im Wert von fast einer Million Dollar hält. Auf Anfrage der SZ bestätigte eine Apic-Sprecherin schriftlich den Wert der Aktien "in ungefähr dieser Höhe". Ein Teil sei gekauft, ein anderer als Bonus vergeben worden. Der Wert insgesamt sei "keinesfalls unangemessen für einen seit 20 Jahren beschäftigten Angestellten in höherer Position". Zu einem Gespräch zeigte sich bei Apic niemand bereit, in einer Erklärung verweist das Unternehmen darauf, seit der Gründung bereits "mehr als eine Milliarde US-Dollar an Zöllen, Steuern und verschiedenen Abgaben an das palästinensische Finanzministerium gezahlt" zu haben.

In Ramallah trifft das Thema dennoch einen Nerv. Denn mutmaßlicher Filz und Vetternwirtschaft in der Autonomiebehörde sorgen für Verdruss in der Bevölkerung, die unter Arbeitslosigkeit und politischer Stagnation leidet. In einer Meinungsumfrage bekundeten jüngst 79 Prozent der befragten Palästinenser, dass sie die Institutionen der Autonomiebehörde für korrupt halten. Der Frust darüber ist maßgeblich verantwortlich für den Aufstieg der radikal-islamischen Hamas und untergräbt die Macht des alten Präsidenten Abbas, 81, der ohnehin längst schon nicht mehr demokratisch legitimiert ist. 2005 war er für vier Jahre gewählt worden - und regiert ohne weitere Wahl nun schon im zwölften Jahr.

Besonders ungelegen kommen dabei Berichte über die Geschäfte der Abbas-Söhne Tarek und dessen drei Jahre älteren Bruders Jasser. Schon 2009 enthüllte die Nachrichtenagentur Reuters anhand von Unterlagen aus der US-Regierung, dass die PR-Firma Sky von Tarek Abbas sowie Jasser Abbas' Falcon Electro Mechanical Contracting Company Aufträge von der US-Behörde für Entwicklungshilfe (USAID) erhalten hatten, mal knapp eine Million Dollar wert, im anderen Fall gar 1,89 Millionen Dollar. USAID betonte hinterher, es habe ein "vollständiges und offenes Bieterverfahren" gegeben; der Anwalt der Abbas-Brüder erklärte, Vorwürfe der Vetternwirtschaft seien "unmoralisch und entbehren jeder Grundlage". Hängen blieb: Die Söhne des Präsidenten bekommen Aufträge von politischen Partnern des Vaters.

Öffentlich bleiben die beiden gern im Hintergrund. Zwar war Jasser Abbas, der auch einen kanadischen Pass besitzt, schon im Auftrag des Vaters in Kanada unterwegs oder gehörte einer Präsidenten-Delegation nach Katar an. Doch ansonsten ist er fast unsichtbar in Ramallah. Tarek taucht zumindest häufig in den Cafés der Stadt auf. Manche loben gar seine Bescheidenheit, sogar Strafzettel bei der Polizei bezahle er, statt dort einfach als Präsidentensohn aufzutreten. Aus der Politik halten sich beide weitgehend heraus.

Dennoch haben die politischen Gegner des Präsidenten sie in einen seit Längerem tobenden Machtkampf innerhalb der regierenden Fatah hineingezogen. So warf der verurteilte Arafat-Finanzberater Mohammed Raschid Abbas vor, selbst Familienvermögen beiseitegeschafft zu haben. Das US-Magazin Foreign Policy zitierte ihn 2012 mit einer Summe von 100 Millionen Dollar. Auch der heute größte Widersacher von Abbas, Mohammed Dahlan - unter Arafat Sicherheitschef im Gazastreifen - zog bei seinen Korruptionsvorwürfen gegen Abbas immer wieder dessen Söhne heran. Dahlan, der im Exil in Abu Dhabi lebt, wurde 2014 in Abwesenheit wegen Verleumdung zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Solche Maßnahmen verfehlen ihre Wirkung nicht. Über die Geschäfte der Abbas-Söhne mag öffentlich kaum noch einer reden. "Das ist anders als bei anderen Themen", betätigt ein palästinensischer Wirtschaftsjournalist, "das ist fast ein Tabu." Sam Bahour, ein in den USA geborener Palästinenser, der in Ramallah heute als Geschäftsmann und Consultant lebt, räumt zwar ein: "Wenn ich ein Sohn von Abbas wäre, würde ich hier keine Geschäfte machen. Es gibt zu viele Leute, die das politisieren." Aber weder rechtlich noch moralisch sieht er daran etwas auszusetzen. Hatem Sarhan, der im palästinensischen Wirtschaftsministerium für die Unternehmenskontrolle und damit auch für Apic zuständig ist, verweist darauf, dass die Firma "ordnungsgemäß registriert" sei in Ramallah als ausländisches Unternehmen. In den Panama Papers stehe für ihn "nichts Neues".

Azmi Shuaibi von der Anti-Korruptions-NGO Aman, dem palästinensischen Ableger von Transparency International, sagt zu den Geschäften der Abbas-Söhne: "Ich habe eine Meinung darüber. Aber unser Hauptproblem ist die israelische Besatzung." Die in den Panama Papers aufgezeigten Verbindungen zwischen Politik und Geld, sagt er, müsste er "erst noch studieren". Doch weil Berichte darüber auch in der israelischen Tageszeitungen Haaretz, einem Kooperationspartner der SZ, erschienen sind, hegt er gleich einen Verdacht: "Wir trauen den Israelis bei diesem Thema nicht. Sie benutzten das aus politischen Gründen und nicht zum Kampf gegen die Korruption."

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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