Wowereits Rücktritt als Flughafen-Chefaufseher:Keine Schuld, ganze Verantwortung

Klaus Wowereit ist kein Architekt, kein Maurer, kein Ingenieur. Andere haben Mist gebaut, er hat nicht einmal mitgebaut. Doch selbst wenn Berlins Regierender Bürgermeister an gar nichts Schuld hätte, trägt er doch für alles die Verantwortung. Mit seinem Rücktritt als Aufsichtsratschef nimmt er sich aber nur aus der Schusslinie.

Ein Kommentar von Nico Fried, Berlin

Es ist leichter, Konsequenzen zu fordern, als sie zu ziehen. Das liegt daran, dass auch Konsequenzen wieder Konsequenzen haben. Wenn jetzt wegen des Debakels am Berliner Flughafen der Projektchef gefeuert wird, kostet das Projekt selbst noch mehr Geld, weil eine Abfindung fällig wird. Und wenn der Regierende Bürgermeister als Aufsichtsratschef zurücktritt, wird der Flughafen wohl auch nicht schneller fertig. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass der Flughafen auch nicht fertig wird, wenn alle im Amt bleiben.

Was kann nun speziell Klaus Wowereit dafür, dass die Eröffnung des BER zum vierten Male verschoben wird? Wowereit ist kein Architekt, kein Maurer, kein Ingenieur. Andere haben Mist gebaut, er hat nicht einmal mitgebaut. Manchmal kocht er vielleicht vor Wut, von Entrauchungsanlagen versteht er trotzdem nichts. Konkret kann Wowereit, der Aufsichtsratsvorsitzende der Flughafengesellschaft, also nichts dafür, dass der BER nicht fertig wird. Na, ist dann nicht alles gut?

Das politische Projekt ist gescheitert

Mitnichten. Selbst wenn Wowereit an gar nichts Schuld hätte, trägt er doch für alles die Verantwortung. Nicht allein, das stimmt, aber an erster Stelle, gefolgt von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer.

Der Flughafen war und ist ein politisches Projekt, weil die Politik den Bauherrn stellt. Und der Regierende Bürgermeister hat es maßgeblich mit auf den Weg gebracht. Selbst wenn der Flughafen irgendwann noch fertig wird, ist das Projekt politisch schon gescheitert. Es hat mit dem Flughafen, für den die Bürger die Politik mandatiert haben, nichts mehr zu tun, was sich am besten an den steigenden Kosten ablesen lässt.

Politische Verantwortung ist ein diffuser Begriff. Die Bedeutung, wenn es schlecht läuft, wird jedoch klarer erkennbar, wenn man sie an der Bedeutung spiegelt, wenn es gut gelaufen wäre: Dann hätten strahlende Wowereits und Platzecks und Ramsauers schon vor Monaten den Flughafen eröffnet und die politische Verantwortung für dessen Gelingen regelrecht eingefordert und damit auch für sich geworben.

Verantwortung übernehmen sieht anders aus

Was die Übernahme von politischer Verantwortung bedeutet, wenn es schlecht läuft, ist ein Abwägungsprozess. Gelegentlich machen Politiker es so, dass sie im Amt bleiben, angeblich um den entstandenen Schlamassel zu beseitigen. Sie sagen dann, sie wollten sich nicht aus der Verantwortung stehlen - ein unlogisches Argument, weil sich der Politiker plötzlich zur Lösung eines Problems die Kompetenzen zuschreibt, von denen er zuvor stets behauptete, er habe sie nicht.

Wowereit wäre aber nicht Wowereit, wenn er sich nicht für noch cleverer hielte. Er gibt jetzt den Aufsichtsratsvorsitz ab an den Kollegen Platzeck. So aber übernimmt man keine Verantwortung, so nimmt man sich nur aus der Schusslinie.

Die Berlin-Brandenburger Rochade ist so unglaubwürdig, das sie Wowereits Niedergang in dem Amt, das er retten möchte, eigentlich noch beschleunigen müsste. Und den von Platzeck gleich mit.

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