Wahlkampf in Italien:Westerwelles naiver Wunsch

Außenminister Westerwelle ist realitätsfern, wenn er glaubt, dass italienische Populisten wie Silvio Berlusconi Deutschland und Kanzlerin Merkel aus dem Wahlkampf heraushalten. Diese Vorstellung ist wegen der großen Macht der Bundesrepublik auch undemokratisch. Ihre Politik darf, ja sie muss zur Debatte stehen.

Ein Kommentar von Daniel Brössler

Guido Westerwelle hat den Wunsch geäußert, Deutschland möge nicht zum "Gegenstand einer populistischen Wahlkampfführung" in Italien gemacht werden. Es ist das gute Recht des deutschen Außenministers, Wünsche zu äußern. Er kann auch wünschen, dass noch vor Weihnachten der Frieden über den Nahen Osten hereinbricht oder die Vereinigten Staaten die Todesstrafe abschaffen. Er darf nur nicht glauben, dass diese Wünsche auch in Erfüllung gehen.

Die Vorstellung, das übermächtige Deutschland und seine Kanzlerin könnten inmitten des Euro-Schlamassels aus dem Wahlkampf eines Krisenstaates herausgehalten werden, ist realitätsfern. Es müssten jedenfalls reichlich seltsame Populisten sein, die ausgerechnet im Wahlkampf eines der emotionalsten Themen aussparen. Diese Vorstellung ist aber auch undemokratisch. Die Politik der Bundesregierung entscheidet über Wohl und Wehe der Menschen in ganz Europa mit. Sie darf, sie muss zur Debatte stehen.

Beiträge des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zu dieser Debatte klingen naturgemäß schräg. Die Demagogie gehört zu seiner ganzen politischen Laufbahn wie der Machtmissbrauch. Es war folglich zu erwarten, dass er seine Rückkehr ins politische Geschäft mit anti-deutschen Verschwörungstheorien garnieren würde. Wirklich interessant ist nur, ob die Italiener das honorieren und wie die Deutschen reagieren.

Richtig ist es, Schwachsinn auch Schwachsinn zu nennen. Falsch wäre es, sich Kritik schon deshalb zu verbitten, weil sie - im geografischen Sinne - grenzüberschreitend ist. Wer das tut, gehorcht im Kern einem nationalstaatlichen Reflex. Er möchte die Einmischung in innere Angelegenheiten untersagen - im milliardenfach vernetzten Euro-Europa ein grotesker Anachronismus. Was Europa braucht, ist nicht höfliche Zurückhaltung, sondern einen echten politischen Binnenmarkt.

Die deutsche Macht ist nur eine Seite der Medaille

Die Euro-Krise hat die Völker der EU bereits dazu gezwungen, sich stärker mit der Politik in anderen, zum Teil fernen Unionsländern zu beschäftigen als je in der Vergangenheit. Die deutsche Macht ist dabei nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht die Abhängigkeit der Deutschen von politischen Prozessen in Athen, Lissabon oder Rom. Daraus resultieren Konflikte, die sich in den Ratszimmern von Brüssel nicht einsperren lassen. Sie müssen ausgetragen werden.

Konkret: Im italienischen Wahlkampf kann Kritik an Angela Merkel nicht tabu sein. Sie steht zwar nicht zur Wahl, der Umgang mit ihr aber sehr wohl. Umgekehrt darf der italienische Wahlkampf für Angela Merkel und andere deutsche Politiker nicht tabu sein. Was Deutsche und andere Europäer von einer Rückkehr Berlusconis an die Macht hielten, ist eine Information, die den italienischen Wählern nicht vorenthalten werden sollte.

Populisten wird es - auch in Deutschland - immer geben. Wer sich dem politischen Binnenmarkt in Europa verweigert, überlässt ihnen das Feld.

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