Vetternwirtschaft im Verkehrsministerium:CDU-Parteibuch als wichtigste Qualifikation

Ein Verwaltungsjurist leitet seit kurzem ein hochangesehenes Bauforschungsinstitut des Bundes. Seine einzig erkennbare Qualifikation: ein CDU-Parteibuch. Wissenschaftler und Personalrat schlagen Alarm. Die SPD erkennt einen neuen Fall von Vetternwirtschaft im Verantwortungsbereich von Verkehrsminister Peter Ramsauer.

Thorsten Denkler, Berlin

Wenn Peter Ramsauer etwas will, dann legt er zuweilen eine bewundernswerte Beharrlichkeit an den Tag. Kürzlich etwa stellte er seine eigene Klassik-CD vor: "Adagio im Auto". Der CSU-Mann Ramsauer ist ein talentierter Pianist. Und so übte er für die CD monatelang ein Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart ein.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU)

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU)

(Foto: dapd)

Ähnlich beharrlich arbeitet er am personellen Umbau seines Ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Der Spiegel berichtete Ende Januar von umfangreichen internen Stellenbesetzungen, denen eines gemeinsam war: Das Parteibuch der Beförderten passte ausnahmslos zur politischen Farbe des Ministers - tiefschwarz.

Dass Minister ihren Häusern einen parteipolitischen Stempel aufdrücken, ist nichts Ungewöhnliches. Im intern "Todeszone" genannten Bereich von den Abteilungsleitern bis hinauf zur beamteten Spitze eines Ministeriums kann sich nach einem Wechsel der politischen Führung niemand sicher fühlen.

Unterhalb der Todeszone wird in der Regel erst nach und nach das Personal gegen Parteifreunde ausgewechselt - wenn sich Gelegenheit ergibt. So haben es Ramsauer und seine sozialdemokratischen Vorgänger gehalten, so praktiziert es derzeit FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel. So weit, so ungemütlich für die betroffenen Mitarbeiter.

Peter Ramsauer aber geht wesentlich weiter. Er beschränkt den Farbwechsel offenbar nicht auf sein Ministerium. Er greift selbst auf untergeordnete Behörden durch. Informationen zufolge, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, hat er erst kürzlich die Spitze eines hoch angesehenen Forschungsinstitutes des Bundes mit einem offensichtlich fehlqualifizierten Parteimann besetzt.

Es geht um die Leitung des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Bonn, einer in dieser Forschungsbreite einmaligen und führenden Einrichtung in Deutschland mit rund 200 Mitarbeitern. Das Institut ist dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) untergeordnet, welches wiederum direkt dem Bundesverkehrsministerium unterstellt ist.

Klarer Verstoß gegen die eigenen Regeln

Geleitet hat das Institut bis September 2011 die Professorin Elke Pahl-Weber, eine anerkannte wie ausgewiesene Fachfrau in diesem komplexen Themenbereich. Seit 2008 hat sie 23 wissenschaftliche Arbeiten in diesem Fachgebiet veröffentlicht.

Am 9. November hat Ramsauer einen gewissen Harald Herrmann zum Leiter des Instituts bestellt. Die wissenschaftliche Reputation des nunmehr obersten Bauforschers der Republik: gleich null. Veröffentlichungen lassen sich nicht finden.

Der Jurist, Jahrgang 1953, war bis dahin Leiter der Abteilung "Zentrale Dienste" im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Solche Leute sind in der Regel dafür zuständig, dass im Haus organisatorisch alles rund läuft. Im Zweifel bis hin zur Bestellung der Glühbirnen.

Herrmann wurde die Beförderung von seiner A16- auf die neue B3-Stelle nach Informationen der SZ ohne Ausschreibung zuteil. Seine einzig erkennbare Qualifikation scheint sein CDU-Parteibuch zu sein.

Ein Sprecher Ramsauers antwortete auf Nachfrage der SZ, dem Ministerium lägen keine Erkenntnisse über eine Mitgliedschaft des früheren persönlichen Referenten von Klaus Töpfer in einer politischen Partei vor. Er widerspricht auch einer Darstellung des Personalrats, wonach eine Ausschreibung erforderlich gewesen wäre. Fragen zur fachlichen Qualifikation Herrmanns ließ das Ministerium zunächst unbeantwortet.

Damit hängt Ramsauers Personalpolitik ein weiteres Gschmäckle an - und nicht nur das. Er verstößt auch klar gegen Regeln, die Union und FDP der Regierung auferlegen wollen.

In einem Antrag der Regierungsfraktionen vom 29. September 2011 zum Thema "Potenziale der Einrichtungen des Bundes mit Ressortforschungsaufgaben stärken" fordern die Unterzeichner, darunter FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle und der Parlamentsgeschäftsführer der Union, Peter Altmaier, die Regierung explizit auf, "wissenschaftliche Leitungspositionen im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen durch ausgewiesene Wissenschaftler zu besetzen".

Ramsauers Personalentscheidung stimmt damit nicht überein. Sie sorgt im übergeordneten Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung offenbar für erheblichen Unmut. In einer E-Mail, die der SZ vorliegt, beschwert sich ein Mitglied der Personalvertretung über die "völlig überraschende" Beförderung: "Alle Wissenschaftler des BBSR mussten dies als Herabwürdigung ihrer wissenschaftlichen Reputation empfinden. Der Ruf des BBSR als Ressortforschungseinrichtung ist stark beschädigt."

Der wissenschaftliche Beirat des BBSR schlug schon früh Alarm, um einer Besetzung mit möglicherweise ungeeigneten Personen vorzubeugen. Als klar war, dass die engagierte Amtsinhaberin Elke Pahl-Weber ihr Amt aufgeben würde, ging am 4. August 2011 ein Brandbrief an Minister Ramsauer, der der SZ vorliegt. Darin heißt es, der Beirat halte es "für erforderlich, dass auch die personelle Leitung zukünftig von einer fachlich hoch qualifizierten Person übernommen wird, die in dem Aufgabenspektrum der Bau-, Stadt- und Raumforschung ausgewiesen ist". Bei Herrmann ist das erkennbar nicht der Fall.

Zudem empfahl der Beirat: "Die gebotenen Ansprüche an die Leitung verlangen seinerseits das hierbei notwendige öffentliche Ausschreibungsverfahren, um die in Kürze auftretende personelle Lücke zu füllen. Für die Übergangszeit empfehlen wir, bewährte Mitarbeiter aus dem BBSR einzusetzen, die mit ihrer Erfahrung eine kontinuierliche Entwicklung des Instituts sichern können." An beide Empfehlungen hat sich Ramsauer offenkundig nicht gehalten.

Professor Thomas Jocher vom Institut für Wohnen und Entwerfen der Uni Stuttgart ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des BBSR. Er sagt der SZ über den neuen Leiter des Institutes: "Ich kenne den Herrn nicht." Unabhängig davon aber "gehören neue Stellen, die Forschungsrelevanz haben, ausgeschrieben".

Florian Pronold, stellvertretender SPD-Fraktionschef, stellt fest: "Die Vetternwirtschaft von Peter Ramsauer erstreckt sich nicht nur auf das Ministerium, sondern offensichtlich auch auf untergeordnete Behörden." Er stelle sich damit "sogar gegen die selbstverfassten Grundsätze der eigenen Koalition". Pronold geht dem Fall jetzt mit einer Anfrage an das Ramsauer-Ministerium nach. Raumsauer Personalpolitik könnte noch ein parlamentarisches Nachspiel haben.

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