Verabschiedung von Fiskalpakt und ESM:Angela Merkel auf dem Egotrip

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Der Bundespräsident wird die Gesetze zum Fiskalpakt und dem Euro-Rettungsschirm ESM vorläufig nicht unterschreiben. Schuld ist der knappe Zeitplan für deren Verabschiedung. Weil Angela Merkel als die Königin des Rettungsschirms dastehen will, degradiert sie die Abstimmung im Parlament zu einer Farce. Jetzt müssen die Verfassungsrichter Stärke beweisen.

Heribert Prantl

Das Bundesverfassungsgericht kann sagen, was es will, es kann raten, bitten, fordern, beschwören - die Bundesregierung tut, was sie will; und der Bundestag lässt es sich gefallen. Schon wieder sollen Verträge von schier unabsehbarer Tragweite binnen weniger Tage, ja binnen weniger Stunden verabschiedet werden. Die Gesetzespakete zum Fiskalpakt und zum Euro-Rettungsschirm ESM sollen im Eilschritt durch den Bundestag und den Bundesrat getragen werden.

Wenn es nach Angela Merkel ginge, soll sich das Verfassungsgericht ihr fügen. (Foto: dpa)

Als Beratung kann man das, was da geplant ist, nicht bezeichnen; es ist eine Kundgabe der Missachtung, eine Beleidigung also: Der Zeitplan zur Verabschiedung dieser Gesetze verhöhnt das Urteil des Verfassungsgerichts vom vergangenen Dienstag und er verspottet die parlamentarische Demokratie.

Weil die Kanzlerin als die Königin des Rettungsschirms dastehen will, degradiert sie die Abstimmung im Parlament zu einer Farce. Sie will den Triumph der Exekutive. Das Verfassungsgericht wird das nicht mitmachen. In den neuen Verträgen geht es um ungeheure Milliardensummen, dort finden sich Rechtskonstruktionen, wie sie das Recht bisher nicht kennt. Es wird eine ESM-Firma geschaffen, die über dem Recht und über den Gesetzen steht, die zwar klagen, aber nicht verklagt werden kann, die tun und lassen kann, was sie will.

Ist der Euro-Absolutismus noch zu bändigen?

Ist ein solcher Euro-Absolutismus zur Rettung des Euro notwendig? Wie kann man ihn demokratisch bändigen? Müssen bei der Ratifizierung der Verträge nationale Vorbehalte gemacht werden? Darüber muss man reden, diskutieren, beraten. Wie soll Vertrauen des Volkes in die Europäische Union wachsen, wenn die Regierung der Volksvertretung nicht traut?

Die Kanzlerin sagt zwar nicht basta, aber sie handelt danach; sie braucht lange, bis sie handelt, aber dann handelt sie brachial, in letzter Sekunde. Das Verfassungsgericht soll sich fügen. Es soll die Selbstüberhebung der Exekutive tolerieren, es soll akzeptieren, dass Europa angeblich nur so und nicht anders gerettet werden kann. Das ist eine Täuschung. Demokratie ist nicht alles, aber ohne Demokratie ist alles nichts.

Wer die Urteile des höchsten Gerichts zu den diversen europäischen Verträgen liest, dem fallen die Reden Ciceros gegen Catilina ein: "Wie lange noch", so haben diese Reden jeweils begonnen, "willst du unsere Geduld missbrauchen?" Die Richter waren lange geduldig. Sie haben dem Grundgesetz so viel Europa entnommen, wie nur irgend möglich war. Sie haben den Bau des europäischen Hauses wohlwollend begleitet. Das Wohlwollen endet aber, wenn beim Bau die Demokratie zu Schüttmaterial wird. Diese Gefahr ist nun akut.

ESM und Fiskalpakt greifen in den Kern der Haushaltsautonomie des Bundestags ein. Womöglich werden nun die Verfassungsrichter urteilen, dass die Möglichkeiten des Grundgesetzes ausgeschöpft sind. Sie werden dann die neuen Verträge nur akzeptieren, wenn in nützlicher Frist das Volk mitentscheiden darf.

© SZ vom 22.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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