USA als Vermittler im Nahostkonflikt:Ohnmächtige Weltmacht

Der US-Präsident hat viel telefoniert in den vergangenen Tagen. Die Anzeichen mehren sich, dass sich Obama zu Beginn seiner zweiten Amtszeit persönlich für den Friedensprozess im Nahen Osten engagieren will. Dabei offenbart der neue Konflikt, wie wenig Einfluss die USA noch haben.

Reymer Klüver

Heftiger hätte der Zusammenprall von Wunsch und Wirklichkeit nicht ausfallen können. Ausgerechnet in dem Moment, als US-Präsident Obama mit einer nach seiner Wiederwahl hastig arrangierten Reise gen Asien der Welt den geopolitischen Schwerpunkt seiner zweiten Amtszeit vor Augen führen wollte, explodiert der Nahe Osten. Wieder einmal. Selbst wenn Obama sein außenpolitisches Erbe in der strategischen Neuausrichtung der USA auf Asien sieht, an der Realität der Konflikte im Nahen Osten kommt er nicht vorbei. Daran ändert die nun glücklich vereinbarte Waffenruhe nicht einen Deut.

In seiner ersten Amtszeit hatte er nach anfänglichem Bravado schnell die Finger von der Region gelassen. Seine mit Aplomb eingesetzten Sondervermittler konnten nichts ausrichten. Er selbst stieß in persönlichen Verhandlungen mit Israels Premier Benjamin Netanjahu und Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas rasch an Grenzen: Unwillig zum Kompromiss war der eine, unfähig erschien der andere. Selbst hochfahrende Rhetorik, Obamas Mittel der Wahl, brachte die Sache nicht wirklich voran: Vor den Vereinten Nationen hatte er 2010 nichts weniger als ein Ende des jahrzehntealten Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern binnen Jahresfrist in Aussicht gestellt. Danach kam Schweigen.

Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit steht Obama vor einem Berg ungelöster Probleme im Nahen Osten, dessen ohnehin abnormen Dimensionen nur noch größer geworden sind. Die arabische Revolution hat die Lage unübersichtlicher werden lassen - und Washington weitgehend ratlos gemacht. Überall versucht die Weltmacht sich irgendwie zu arrangieren. Offenkundig glaubt Obama, mit den Islamisten in Kairo ein Zweckbündnis eingehen zu können. Er muss hoffen, dass die Unruhen am Golf und in Jordanien nicht eskalieren. Im Falle Syriens hat er alle Rufe nach einem stärkeren Engagement geflissentlich an sich abprallen lassen. Und was die iranischen Atomambitionen angeht, bleibt die Frage, ob die Sanktionen das Regime wirklich zum Einlenken bringen werden.

Obamas Verhältnis zu Netanjahu ist zerrüttet

Nun offenbart der neue Gazakonflikt noch klarer, wie gering der Einfluss Amerikas in der Region ist - und wie wenig Optionen Obama bleiben. Premier Netanjahu macht ohnehin, was er will. Das Verhältnis zu ihm ist zerrüttet, nicht erst, seitdem der Premier im Wahlkampf offen Obamas Herausforderer Mitt Romney unterstützt hat. Obama konnte nur den Israelis die Unterstützung Amerikas zusichern - was ihm ungewohnten Beifall in Israel einbringt - und leise vor einer Bodenoffensive warnen.

Obama telefoniert mit Netanjahu

Obama telefoniert mit Netanjahu: Der US-Präsident will sich offenbar persönlich in den Friedensprozess einschalten.

(Foto: AFP)

Der andere seiner bisherigen Verhandlungspartner, Palästinenser-Vormann Abbas, droht Obama derweil gänzlich abhandenzukommen. Abbas geht aus dem Gazakonflikt noch schwächer hervor, als er ohnehin schon war. Ohne die Hamas, das haben die letzten Tage mehr als deutlich gemacht, wird es keine Lösung im Nahen Osten geben. Bleibt Ägyptens Präsident Mursi als Obamas ganze Hoffnung. Er musste den Konflikt eindämmen, als Vermittler zwischen den Gazaterroristen und Israel. Doch auch da kann Obama sich nicht sicher sein, ob Mursi ein Friedensadvokat bleiben kann - oder ob Druck von innen ihn zu mehr Solidarität mit den Glaubensbrüdern in Gaza zwingen wird.

In Washington herrschte die Angst, dass dieser Konflikt einen neuen Nahostkrieg entfachen könnte. Deswegen hat Obama seine Außenministerin als Vermittlerin in die Region geschickt. Er selbst hat innerhalb von zwei Tagen dreimal mit Präsident Mursi telefoniert. Und aus dem Weißen Haus kommen Signale, dass Obama nun persönlich einen neuen Anlauf beim Friedensprozess starten will. Er wäre nicht der erste US-Präsident, der sich das für seine zweite Amtszeit vorgenommen hätte.

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