US-Präsident vor Besuch in Kairo:Obamas nahöstlicher Balanceakt

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Mit einer Grundsatzrede in Kairo will US-Präsident Obama das Vertrauen der Muslime gewinnen, ohne Israel zu verprellen.

Tomas Avenarius, Kairo

3000 FBI- und CIA-Leute sollen schon da sein. Jetzt werden gepanzerte Limousinen erwartet, Hubschrauber, Kameras, Waffen, technisches Gerät. Die US-Experten gewährleisteten in Ägypten in eigener Regie die Sicherheit des Staatsgasts, berichte die Zeitung Al-Mesryoon. Die Behörden seien aufgefordert worden, Namenslisten aller einheimischen Polizisten zu übergeben: Wer immer in die Nähe des Präsidenten komme, werde von den Amerikanern überprüft.

Als neuer Tutanchamun, der berühmte ägyptische Pharao, wird US-Präsident Barack Obama auf diesem Schild in Kairo schon gepriesen. (Foto: Foto: AP)

Über der Kairo-Universität weht unterdessen seit Tagen eine besonders schöne ägyptische Flagge. Wände werden gestrichen, Blumenbeete geharkt, die anstehenden Examen sind verschoben worden. Kurz: Kairo bereitet sich auf den Besuch von US-Präsident Barack Obama am Donnerstag vor.

Der hat eine Grundsatzrede an die arabische und islamische Welt angekündigt. Bei seinem Auftritt in der ägyptischen Hauptstadt steht der Mann aus dem Weißen Haus unter enormen Erfolgsdruck. Er will versuchen, in einer wegweisenden Ansprache das Verhältnis der USA zur arabischen Welt zu kitten, den Muslimen weltweit Vertrauen einzuflößen.

Obamas Aufgabe könnte schwieriger kaum sein

Der Präsident muss dabei eine schlüssige Nahost-Politik skizzieren - und zugleich das Gefühl vermitteln, dass kein "Krieg der Kulturen" herrscht, sondern es gemeinsame Werte und Interessen gibt zwischen der muslimischen Welt und den USA und den westlichen Staaten.

Dass Obama muslimische Vorfahren hat und den Mittelnamen Hussein trägt, mag helfen - weit reichen wird es nicht. Denn der Amerikaner trägt Ballast mit sich: Acht Jahre US-Politik unter George W. Bush, der 11.September, der Irak-Krieg, die parteiische Rolle der USA im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern.

Zudem sind die Interessen aller beteiligten Staaten und Gruppen gegensätzlich und doch aufs Engste miteinander verknüpft: Obamas Aufgabe könnte schwieriger kaum sein. Doch im Gegensatz zu anderen US-Präsidenten hat er dem Thema Nahost von Beginn seiner Amtszeit an viel Raum eingeräumt, trotz der alles überschattenden globalen Finanzkrise. Obama spannt den Bogen weit: Er sucht nach zusammenhängenden Lösungen in "Greater Middle East", dem Raum vom klassischen Nahen Osten mit dem palästinensisch-israelischen Konflikt über Syrien, Libanon, Irak und Iran bis hinauf in die Kriegs- und Krisenregion von Afghanistan und Pakistan.

"Der Ausbau der Siedlungen muss enden!"

Zwei Themen dürften im Mittelpunkt stehen: Die Lösung des Palästina-Problems und der Versuch, Iran von seinem Atomprogramm abzubringen. Was Palästina angeht, scheint Obama entschlossen zu sein, die lange versprochene Zwei-Staaten-Lösung durchzusetzen und das zentrale Problem des Nahen Osten zu lösen. Er hat Israel gewarnt: "Der Ausbau der Siedlungen muss enden!" In Jerusalem sieht man dies anders: "Es gibt vernünftige und es gibt unvernünftige Forderungen", reagierte Premierminister Benjamin Netanjahu kühl.

Sollte Obama sich nicht durchsetzen können, steht er in der arabischen Welt als zahnloser Löwe da: Washington gilt ohnehin als parteiischer Makler, was Israel und die Araber angeht. In seiner Rede muss Obama also Formulierungen finden, die das Vertrauen der arabischen Welt stärken, ohne die Israelis vor den Kopf zu stoßen.

Hier kommt das Thema Iran ins Spiel. Israel, die USA und die Araber fürchten gleichermaßen, dass die Perser Atomwaffen bauen wollen. Damit würde Teheran in Nahost zur zweiten Vormacht neben dem jüdischen Staat aufsteigen. Israel droht mit einem Militärschlag, die USA setzen vorerst auf Diplomatie. Die Frage ist, ob Obama ein attraktives Angebot formulieren kann - eines, das Iran zum Verzicht auf die für die Bombe unverzichtbare Urananreicherung bewegt und eine Normalisierung des bilateralen Verhältnisses garantiert.

Die Bühne ist bewusst gewählt

Das Angebot muss aber so sein, dass die Araber sich nicht als Verlierer fühlen. Ägypter, Jordanier und die Golfstaaten fürchten Irans Hegemonialabsichten ebenso wie sie meinen, Washington könne arabische Interessen ausverkaufen im Gegenzug für eine Aussöhnung mit Iran. Einen Krieg gegen den islamischen Iran wiederum wollen die arabischen Staaten um jeden Preis vermeiden.

Obama hat Kairo gewählt für seine Rede, weil Ägypten trotz spürbaren Machtverfalls eine arabische Vormacht bleibt. Kairo ist das Herz der Arabischen Welt - auch wenn es längst müder schlägt und dafür Dubai oder Beirut stärker hörbar werden. Die Kairo-Universität ist ebenfalls bewusst gewählt: Sie galt zumindest früher als weltoffen und liberal. Eine Alternative angesichts der Sicherheitsprobleme in der 18-Millionen-Metropole wäre die Al-Ashar-Universität gewesen, die berühmteste Lehrstätte der sunnitisch-islamischen Welt.

An der Al-Ashar aber wäre der Eindruck entstanden, Obama wende sich gezielt an ein religiös orientiertes Publikum. Durch die Wahl der weltlichen Kairo-Uni versucht er, alle und alles unter einen Hut zu bekommen: Eine Rede an die islamische Welt, in der die säkularen und liberalen Kräfte als Publikum nicht außen vor bleiben und der offiziell säkulare Charakter Ägyptens hervortritt. Es ist die Bühne für eine Botschaft, die die Nahostpolitik bestimmen könnte - und das Verhältnis des Westens zur arabisch-islamischen Welt.

© SZ vom 02.06.2009/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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