US-Präsident im Video-Chat bei Google+:Obama gibt den Berufsberater

Keine Arbeit? Obama kümmert sich! Bei einem Video-Chat mit Bürgern scheitert der US-Präsident mit Wahlkampf-Plattitüden an einer hartnäckigen Texanerin. Als die Frau darauf beharrt, ihr Mann finde in Obamas Amerika keinen Job, bietet er sich als persönlicher Berater an. Für die Republikaner im Wahlkampf eine willkommene Gelegenheit.

Sebastian Gierke

Es ist durchaus ein Risiko, live zu antworten. Unvorhergesehenes kann bei solchen Fragestunden immer vorkommen. Unvorhergesehenes, das einen aus der Bahn wirft, für Wochen beschäftigt, oder sogar beschädigt. Der Republikaner Herman Cain, mittlerweile aus dem Vorwahlkampf der Republikaner ausgeschieden, konnte beispielsweise bei einem aufgezeichneten Interview Fragen zur Libyen-Politik nicht beantworten - und wurde dafür wochenlang verhöhnt.

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Barack Obama hat eine Bürgerversammlung im Netz abgehalten.

(Foto: AFP)

Barack Obama antwortete live auf Fragen im Internet (hier das Video). Und es geschah etwas Unvorhergesehenes, etwas, worauf der 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zumindest nicht perfekt vorbereitet war.

Bei einer virtuellen Versammlung konnten interessierte Bürger über die Videofunktion "Hangout" des sozialen Netzwerks Google+ ihre vorher gesammelten und wohl von Obamas Mitarbeitern auch gefilterten Fragen an Obama stellen, die dieser aus dem Weißen Haus in Washington live beantwortete. "Toll, mit euch zu reden", hatte er zu Beginn aus dem Roosevelt Room in die Kamera gesagt und gelächelt. Links das Sternenbanner, rechts die Präsidentenflagge. Doch dann wollte eine der interessierten Bürgerinnen, Jennifer Wedel aus Fort Worth in Texas, wissen, wie sie ihrem arbeitslosen Mann bei der Jobsuche helfen könne. Der sei gut ausgebildet, finde aber keine Arbeit.

Eigentlich leicht zu parieren, für einen Profi wie ihn. Aber das Lächeln wich aus dem Gesicht des Präsidenten. Obama begann mit einer Antwort vom Fließband: "Ich weiß nicht, worauf sich ihr Mann spezialisiert hat, aber es gibt eine gewaltige Nachfrage im Land für Ingenieure", sagte er. "Speziell wenn es um Hightech geht." Doch Wedel ließ sich nicht so einfach abspeisen, beharrte darauf, dass es für ihren Mann keine Jobs gebe - obwohl er sich spezialisiert habe.

Obama überlegte kurz. Dann sagte er: "Was ich sage, das meine ich auch so. Wenn sie mir den Lebenslauf ihres Mannes schicken, werde ich versuchen, herauszufinden, was genau das Problem ist." Soweit er wisse, sollte der Mann sofort etwas zu arbeiten finden können. "Ich nehme Sie beim Wort", gab Wedel zurück.

Das Gespräch könnte Obama noch beschäftigen. Es weckt Erinnerungen an den Fall Joe the Plumber, der eigentlich Samuel Joseph Wurzelbacher heißt. Der hatte im Wahlkampf 2008 Obama vorgeworfen, dessen Pläne würden für ihn mehr Steuern bedeuten, Obamas republikanischer Kontrahent John McCain versuchte daraus Kapital zu schlagen. Wochenlang war Joe the Plumber Gesprächsthema in Washington.

Auch Jennifer Wedel wird in einem Wahlkampf, in dem jede Aussage danach durchleuchtet wird, ob sie für eigene Zwecke urbar gemacht werden kann, noch einige Anrufe von Medien bekommen. Es wird sicherlich noch eine Rolle spielen, ob ihr seit drei Jahren arbeitsloser Mann bald einen Job findet.

Denn das ist eine Hauptfrage im Präsidentschaftswahlkampf: Wem trauen es die Menschen am ehesten zu, neue Jobs zu schaffen? Und da kann sich ein Einzelfall leicht zum Symbol auswachsen.

"Ich glaube, ich habe Obama überrumpelt"

Die restliche Zeit des Video-Chats wirkte Obama gewohnt souverän. 45 Minuten plauderte er mit den Fragestellern, doch die bekamen kaum mehr zu hören als Wahlkampfphrasen. So ging es auch einer Aktivistin aus einem Camp der Occupy-Wall-Street-Bewegung. Ihr versprach Obama, "dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft wächst". Sie verpasste danach die Chance, nachzuhaken.

US-Vorwahlen der Republikaner

Andere Teilnehmer der Diskussion erkundigten sich über Obamas Pläne für Kleinunternehmen oder fragten, wie sie Kindern die wirtschaftliche Lage im Land erklären sollen. Insgesamt wurden mehr als 133.000 Fragen übermittelt. Google traf die Vorauswahl, zu welchen Themen Obama Stellung nehmen sollte. Außerdem diskutierte Obama mit fünf Personen live.

Dabei verteidigte er auch den Einsatz von Aufklärungsdrohnen im Irak - auch nach dem Abzug der amerikanischen Truppen. "Es findet teilweise eine Überwachung statt, um den Schutz unseres Botschaftsgebäudes sicherzustellen", sagte der US-Präsident. Es gebe aber keine geballten Drohnen-Angriffe. Irakische Regierungsmitglieder und Berater hätten sich über das Programm empört, weil sie im Vorfeld nicht hinzugezogen worden seien, hatte die New York Times berichtet. Obama nutzte den Auftritt im "Hangout" jetzt für ein Bestätigung. Ganz nebenbei.

Es war, laut Google war es das erste virtuelle Interview dieser Art. Zuvor hatte Obama seine Online-Ambitionen im Wahlkampf bereits bei Facebook, Twitter und LinkedIn unter Beweis gestellt. Auch über Youtube hatte er bereits Fragen beantwortet. Diesmal allerdings hatten einige User Probleme mit der Verbindung, immer wieder fiel das Bild kurz aus. Vielleicht lag das auch am Andrang. 250.000 Menschen hätten zugeschaut, sagte Obamas Sprecher später zufrieden.

Doch da war ja noch Jennifer Wedel. Sofort nach dem Hangout wurde sie von der Internet-Nachrichtenseite Politico befragt: "Ich glaube nicht, dass er versuchte, herablassend oder so zu sein", sagte Wedel über Obamas Antwort. "Ich glaube einfach, ich hab ihn etwas überrumpelt und er wollte mich mit seiner Antwort zum Schweigen bringen."

Die Republikaner reagierten ebenfalls sofort. Bereits wenige Minuten nach der Veranstaltung wurden aus dem Hauptquartier der Grand Old Party Newsletter verschickt, in denen die Frage gestellt wurde: "A little out of touch?" - Hat er die Verbindung zu den Menschen verloren?

Diesem Eindruck wollte Obama schon am Ende des Video-Chats entgegentreten. Bei der abschließenden Fragerunde, als die Diskutanten noch eine persönliche Frage stellen durfen, bat Wedel den Präsidenten überraschend, doch bitte für sie zu tanzen. Obama lehnte ab, erklärte aber in Anspielung auf seinen Auftritt im Apollo Theater in New York vor ein paar Wochen: "Das nächste Mal singe ich dann vielleicht. Eine andere Melodie."

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