TV-Duell in Nordrhein-Westfalen:Landesmutter Kraft besteht gegen offensiven Röttgen

Wer ist der Sieger des TV-Duells in NRW? SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gelingt es, ihren Landesmutter-Bonus voll auszuspielen. Inhaltlich kommt sie nicht aus der Defensive. Ihr CDU-Herausforderer Norbert Röttgen attackiert und korrigiert sie ausdauernd, macht dabei aber auch vor den Moderatoren nicht Halt. Ein Landesvater? So sicherlich nicht.

Michael König

Über Hannelore Kraft lässt sich viel Negatives sagen. Und das tat Norbert Röttgen dann auch. Der CDU-Spitzenkandidat für Nordrhein-Westfalen hielt der SPD-Ministerpräsidentin im TV-Duell vor, sie habe nicht ausreichend Kita-Plätze geschaffen und Bundesgelder "in Berlin liegen lassen". Sie betreibe eine ausufernde Schuldenpolitik und verschlafe die Energiewende.

NRW-Wahlkampf - TV-Duell Kraft-Röttgen

Norbert Röttgen gegen Hannelore Kraft: Der CDU-Spitzenkandidat traf im TV-Duell auf die SPD-Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen.

(Foto: dpa)

Was man Kraft jedoch nicht vorwerfen kann: Sie habe nicht aus dem TV-Duell 2010 gelernt. Damals hatte sich die medial noch unerfahrene SPD-Frau aus Mülheim in langen Sätzen verheddert, während der damalige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers landesväterlich in die Kamera schaute und sagte: "NRW ist ein wunderbares Land. NRW ist ein starkes Land."

Im Vergleich sah Kraft damals blass aus. Gewählt wurde sie dann aber trotzdem, an der Spitze einer rot-grünen Minderheitsregierung. Die scheiterte nach nur zwei Jahren am Haushaltsentwurf für 2012, und nun stand Kraft am Montagabend wieder vor den TV-Kameras. An der gleichen Stelle, in der Kölner Vulkanhalle. Diesmal schaute sie landesmütterlich in die Kamera und sagte: "Unser Land ist ein starkes Land mit starken Bürgern." Oder: "Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt." Oder: "Mein Platz ist hier in NRW."

Wer Ähnlichkeiten mit Rüttgers fand, durfte sie behalten. Kraft hatte das alte Müntefering-Motto "Ich kann nur kurze Sätze" stark verinnerlicht und wirkte (nach stundenlangen Übungen mit ihren Medienberatern, so war zu hören) bestens vorbereitet. Es gelang ihr wie ehedem Rüttgers, den Bonus des amtierenden Ministerpräsidenten voll auszuspielen. Wenn das ihr Ziel war, hat sie es erreicht.

Röttgen gab sich im Vergleich deutlich angriffslustiger. Was sollte er auch tun? Der Wahlkampf läuft bislang überhaupt nicht nach dem Geschmack der CDU. In Umfragen liegt die Union klar zurück. SPD und Grüne haben eine Mehrheit - wenn auch eine wackelige, weil Piraten, FDP und Linke ihnen Stimmen abgraben. Auch weil Röttgen ein klares Bekenntnis zu NRW vermissen lässt, sehen ihn seine Gegner als Karrieristen auf der Durchreise ins Kanzleramt.

Wenn es Röttgens Ziel war, diesen Eindruck im TV-Duell zu vermeiden, ja, ins Gegenteil zu verkehren, ist er daran gescheitert.

Arrogant und oberlehrerhaft

Das fing schon beim Thema Betreuungsgeld an, das die ersten Minuten des TV-Duells bestimmte. Die WDR-Chefredakteure Gabi Ludwig und Jörg Schönenborn fragten Röttgen, ob der bei seiner Unterstützung für das umstrittene Betreuungsgeld bleibe, das vor allem die CSU einführen will, um Eltern zu belohnen, die ihre Kinder zuhause erziehen. Daraufhin Röttgen: "Das habe ich ja gesagt und sie haben mich richtig zitiert." Es war sein erster Satz überhaupt in diesem TV-Duell. Er wirkte arrogant und gab die Linie vor, der Röttgen treublieb.

Röttgen ging auch nicht auf den Widerspruch ein, selbst für das Betreuungsgeld zu sein, aber eine Familien-Schattenministerin nominiert zu haben, die dagegen ist: Ingrid Fischbach gehört dem Widerstand der Unionsfrauen gegen die Prämie an. Röttgen sagte dazu: "Ich finde es richtig, dass über die Ausgestaltung der Prämie diskutiert wird." Und: Es sei im Sinne der Wahlfreiheit richtig, einen finanziellen Ausgleich dafür zu schaffen, "eine staatliche Leistung nicht in Anspruch zu nehmen".

Das war gewissermaßen ein Freischuss für Hannelore Kraft, die entgegnete: "Ich bezahle doch niemandem ein Ticket, wenn er das Theater nicht besucht."

Röttgen griff im Gegenzug Kraft dafür an, eine "Kita-Pflicht" gefordert zu haben. In einem Interview hatte Kraft am Wochenende gesagt, wenn die Bildung in der Kindertagesstätte beginnen solle, "müssen wir auch sicherstellen, dass alle Kinder da sind". Die CSU wertete das als "Anschlag auf die Freiheit der Familien". Kraft konterte: "Wenn ich Kita-Pflicht gemeint hätte, hätte ich Kita-Pflicht gesagt. Eine solche Kita-Pflicht ist Unsinn, das wissen Sie auch."

Immer wieder bezichtigten die Kandidaten einander, mit falschen Zahlen zu jonglieren. Ob bei der Kinderbetreuung oder bei der Haushaltspolitik - Kraft und Röttgen warfen mit Buchhalterwissen nur so um sich. Weil sich die Moderatoren zurückhielten, war die Sendung streckenweise nur für ein Fachpublikum interessant. Schönenborn machte mit regungsloser Miene den Witz des Abends, als er die Diskussion über Kinderbetreuung und Schuldenabbau mit der Bemerkung abwürgte: "Ich habe verstanden, dass sie beide engagiert für das Ziel kämpfen."

Röttgen war beim Kampf um die Deutungshoheit leicht im Vorteil. Er musste das Wort "Schuldenkönigin" im Hinblick auf Kraft nicht einmal selbst in den Mund nehmen - die Moderatoren nahmen es ihm ab. Die Ministerpräsidentin wirkte bisweilen hilflos in der Defensive, sie verwies auf die schwarz-gelbe Vorgängerregierung Rüttgers, die "auch schon mal einen Haushalt vom Verfassunsgericht zerschossen bekommen hat".

Dass WDR-Chefredakteurin Ludwig kurz darauf fragte, ob Kanzlerin Merkel für Röttgen entsprechend die "Schuldenkaiserin" sei, war ihr einziger schlagfertiger Moment in der Sendung. Röttgen konterte empört, Bundesfinanzen seien mit Landesfinanzen überhaupt nicht zu vergleichen.

Überhaupt, die Empörung. Beinahe bei jedem Kraft-Statement war Röttgen im Hintergrund zu hören, wie er in die Redebeiträge der Kontrahentin hineingrummelte: "Nein, nein, nein" oder "Schnee von gestern" oder "Doch, das wollten wir", je nach Thema. Dazu schüttelte er mit geschlossenen Augen den Kopf.

Das wirkte oberlehrerhaft, aber es wurde noch schlimmer: Als Ludwig sagte, "die Mehrheit der Deutschen war für den Atomausstieg", unterbrach sie Röttgen lächelnd und sagte: "Sie sind." Die Moderatoren entgegneten irritiert: "Wie bitte?" Röttgen: "Sie sind immer noch für den Automausstieg." Und es gab noch so eine Szene: Noch während Schönenborn von "Kindergartenplätzen" sprach, schnitt ihm Röttgen das Wort ab und korrigierte, es gehe um "Kita-Plätze".

Kraft konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen. Ihr Kontrahent machte nicht einmal ansatzweise den Eindruck, landesväterlich auftreten zu wollen. Aber war das sein Ziel? Rüttgers hatte es schließlich auch nicht geholfen.

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