Thailands Ex-Premier Thaksin:Ein Milliardär auf dem Amt

In der Not braucht auch ein Milliardär Freunde: Geheimnisvolle Gefolgsmänner verhalfen dem per Haftbefehl gesuchten Ex-Premier Thaksin zu einer Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland.

H. Leyendecker und O. Meiler

Am 29. Dezember 2008 wollte der neugewählte thailändische Premierminister Abhisit Vejjajiva seine Antrittsrede halten. Doch die Rothemden, die Anhänger des gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, blockierten die Zugänge zum Parlament. Die Rede musste vertagt werden, und die Zeitungen rätselten, wo der mit Haftbefehl gesuchte und in Abwesenheit wegen Korruption zu zwei Jahren Haft verurteilte Thaksin untergetaucht sein könnte.

Thailands Ex-Premier Thaksin: Der wohl berühmteste und vermutlich reichste Justizflüchtling Asiens: Thaksin Shinawatra (Archivbild)

Der wohl berühmteste und vermutlich reichste Justizflüchtling Asiens: Thaksin Shinawatra (Archivbild)

(Foto: Foto: dpa)

Der wohl berühmteste und vermutlich reichste Justizflüchtling Asiens, gegen den in seiner Heimat mehr als ein halbes Dutzend Strafverfahren laufen, hielt sich an diesem 29. Dezember in der Oxfordstraße 19 zu Bonn auf - im Ausländeramt. Er beantragte für die Dauer eines Jahres eine Aufenthaltsgenehmigung.

Vorher war er beim Einwohnermeldeamt gewesen und hatte eine Adresse in Bad Godesberg als Wohnort angegeben. Milliardär Thaksin konnte nachweisen, dass er für seinen Lebensunterhalt allein sorgen wollte - kein Sozialfall also -, und krankenversichert war er auch. Der Sachbearbeiter schaute noch ins Ausländerzentralregister, fand aber nichts.

Die Antragsprüfung wurde ihm leicht gemacht, weil der frühere, in Bonn sehr bekannte Kripochef Gerd Steffen sowie ein renommierter Anwalt mitgekommen waren. Zudem war ein geheimnisvoller Mann dabei, der sich als Richard Nelson vorstellte. Der Sachbearbeiter verstand, der Mann arbeite für den Bundesnachrichtendienst (BND), doch da muss er sich wohl verhört haben. So etwas würde der Agent, der eigentlich Werner Mauss heißt und einst Allzweckwaffe deutscher Dienste war, nie behaupten. Thaksin bekam schließlich die Genehmigung.

Die seltsame Begegnung kurz vor Silvester in Amt 33-6 hat in den vergangenen Wochen hinter den Kulissen in Berlin, Düsseldorf und Bangkok Wirbel ausgelöst. Das Auswärtige Amt, das spät von dem Vorgang erfahren hatte, schäumte und sah die Beziehungen zu Thailand gefährdet; Kanzleramt und NRW-Innenministerium wurden eingeschaltet.

Das Auswärtige Amt glaubte zunächst, der BND habe eigenmächtig gehandelt und beschwerte sich heftig. Hatte der BND nicht schon immer in vertraulichen Berichten an die Bundesregierung Thaksins Rolle schöngeschrieben? Die Spitze des BND hingegen vermutete, ein Agent eines ausländischen Dienstes sei unter falscher Flagge gesegelt, wie das im Jargon heißt, aber dann hörten die Beamten den Namen Nelson und verstanden, was gelaufen war: Nelson war einer der vielen Alias-Namen, die der inzwischen 69 Jahre alte Mauss als Privatdetektiv bei früheren Einsätzen für Behörden verwendet hatte. Er hat in seinem Leben viele Einsätze gemacht, deren Hintergrund rätselhaft blieb.

Auch ein alter Bekannter von ihm hatte bei der Aktion mitgemacht - der frühere Staatssekretär und ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Rudolf Kraus. In einem Brief an die Bonner Ausländerbehörde teilte Kraus mit, Parlamentarier der Union wollten im Sommer 2009 unbedingt mit Thaksin in Deutschland sprechen, und dafür brauchte es eben eine Aufenthaltsgenehmigung. "Gott, der Gerechte", sagt der Christsoziale auf Anfrage, "weiß, dass das alles in Ordnung war." Thaksin sei doch eine "hochinteressante Persönlichkeit". Hat Mauss ihn gedrängt, den Brief zu schreiben? "Lassen wir das", sagt Kraus.

Freunde in der Not

Der Hinweis auf die Bedeutung des Herrn Thaksin jedenfalls war keine Übertreibung. Der als Sohn einer chinesischen Händlerfamilie geborene Thaksin hat eine atemraubende Karriere hingelegt. Erst war er Polizist, dann Oberleutnant und schließlich Medien-Tycoon mit eigenen Mobilfunk-Lizenzen und Satelliten-TV. Sein Unternehmen, die Shin Corp. ist eines der größten Privatunternehmen Thailands.

Manches in Thaksins Werdegang erinnert an den italienischen Staatschef Silvio Berlusconi. Auch er gründete Ende der neunziger Jahre eine eigene Partei - die Thai Rak Thai (Thais lieben Thais). 2001 wurde der Emporkömmling zum Regierungschef gewählt, überstand drei Wahlen und wurde dann 2006 vom Militär aus dem Amt geputscht. Vor ihm hatte es kein demokratisch gewählter Premier in Thailand geschafft, eine gesamte Legislaturperiode an der Macht zu bleiben und wiedergewählt zu werden. Die in Thailand hochverehrte Königsfamilie, deren Mitglieder gelegentlich inkognito nach Deutschland reisen, mochte den Aufsteiger nicht.

Thaksin ließ sich an der vornehmen Park Lane in London nieder, kaufte sich den britischen Fußballklub Manchester City und erklärte bei einer ersten Pressekonferenz, er werde "nur noch als Unternehmer und Philanthrop" tätig sein.

Das war untertrieben. Seit er weg ist, liefern sich seine Anhänger und seine Feinde erbitterte Schlachten. Wegen angeblichen Amtsmissbrauchs stellte ihm die Justiz seines Landes nach und ließ zwei Milliarden Dollar seines Privatvermögens einfrieren. Im Februar 2008 kehrte er kurz in seine Heimat zurück und entzog sich dann doch wieder einem Korruptionsverfahren durch die Flucht.

In der Not braucht auch ein Milliardär Freunde

Er nahm im Sommer an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking teil, flog dann nach London, wo er bald nicht mehr willkommen war. Im November vergangenen Jahres entzogen ihm britische Behörden das Visum und verhandelten mit Bangkok über eine Auslieferung des mit Haftbefehl gesuchten Milliardärs. Thaksin verkaufte den Fußballverein und begab sich, ausgestattet mit einem französischen Schengen-Visum mit einer Laufzeit von 90 Tagen, auf eine Odyssee. Reporter vermuteten ihn in Hongkong, Bali, den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Montenegro und dann sogar irgendwo in Afrika.

Auf Bonn wäre so leicht niemand gekommen, mit Ausnahme des Autors John Le Carré vielleicht, der der kleinen Stadt am Rhein immer manches zugetraut hat. Mauss, der früher als "Mann ohne Gesicht" galt, hat vor Jahrzehnten im dortigen Polizeipräsidium im Beisein des Kripochefs schon mal inkognito Besucher empfangen.

Auf Druck von Berlin und Düsseldorf wurde Thaksin am 28. Mai die Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland entzogen. Inzwischen hat ihm die nicaraguanische Regierung mit einem Diplomatenpass (Botschafter im Sondereinsatz) ausgestattet. In der Not braucht auch ein Milliardär Freunde.

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