SZ-Serie: Der Weg nach Berlin:"Können Sie bitte etwas lauter sprechen?"

Ein Lacher, keine Fragen - auf dem Neujahrsempfang in Darmstadt-Wixhausen versucht der CDU-Kandidat Charles Huber die Wähler von sich zu überzeugen. Keine einfache Mission. Etwa die Hälfte verschwindet gleich nach seiner Rede. Nur einmal zuckt das Publikum kurz zusammen.

Von Silke Bigalke

Politiker "sind doch alle gleich", lautet das Pauschalurteil vieler Deutscher. Sind sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung begleitet bis zur Bundestagswahl sieben Kandidaten aus sieben Parteien - Fehler und Rückschläge inklusive.

Charles Huber, der für die CDU in Darmstadt antritt, hat in den zurückliegenden Monaten viel Text gebüffelt, ähnlich wie früher als Fernsehschauspieler. Wähler interessiert bei der Konfrontation mit einem Kandidaten eins: Nimmt der Mann ihre Themen ernst?

Vier verschrumpelte Ballons hängen noch hinten im Saal. Die beiden Getränke-Kühlschränke haben Narrenkappen auf, Spuren der letzten Faschingsfeier. Charles Huber muss fast aufpassen, dass er jetzt nicht durcheinander kommt. Seit Wochen wechseln sich seine Faschingsauftritte mit Neujahrsempfängen ab, er hat längst den Überblick verloren. Sein persönlicher Rekord: Vier an einem Tag, zweimal Fasching, zweimal Neujahr.

Am ersten Februarsonntag ist es nur einer: der Neujahrsempfang der CDU in Darmstadt-Wixhausen; der letzte für dieses Jahr. Die Wixhäuser mussten warten, weil die Seeheimer ihnen den Kandidaten zunächst weggeschnappt hatten. Huber greift das auf: "Ich wohne im Haus des Seeheimer Bürgermeisters. Ich wollte nicht, dass er mich auf die Straße setzt."

Keiner lacht. Dafür unterbricht ein älterer Herr: "Können Sie bitte etwas lauter sprechen?" Jetzt lacht Huber, der Schauspieler, irritiert. "Meine Güte." Die Kühlschränke mit den Narrenkappen brummen. Ein Flugzeug donnert vorbei. Einer steht auf und zieht den Stecker. Das Brummen hört auf. Doch das nächste Flugzeug kommt. Wixhausen liegt in der Abflugschneise des Frankfurter Flughafens. Huber kommt später noch auf das Thema.

"Ey, Jung, komm her, hilf mir ein bisschen."

Zuerst Bundespolitik: Bildung, Integration, Rente, Haushalt. Und die Grünen. Die stellen in Darmstadt den Oberbürgermeister und koalieren mit der CDU. Der einzige Berührungspunkt sei da für ihn die Ökologie. Und gesunde Ernährung finde er gut. "Meine Frau hat das damals studiert", sagt er und überlegt kurz. "Ernährungswissenschaften." Huber arbeitet, wenn er redet. Er formt Kreise in der Luft, schwingt die Arme, schiebt die Lesebrille auf die Stirn. Ein Kind läuft durch den Saal, er ruft: "Ey, Jung, komm her, hilf mir ein bisschen."

Huber hängt sich rein, jedesmal, wenn man ihn trifft und spricht, hat er ein neues Problem studiert. Aktuell ist es die Wohnungsknappheit in Darmstadt. "Ich lese zu allen Themen alles durch." Es ist eben ein Vollzeitjob, bei dem er auch noch draufzahlt: Die Fahrten durch den Wahlkreis, die Zweitwohnung, alle Aufwendungen zahlt er selbst. Verliert er, steht er am Ende womöglich mit nichts da. Sein Vorgänger unterlag 2009 Brigitte Zypries von der SPD, mit 45 Stimmen. Und über die Landesliste kam niemand aus der hessischen CDU in den Bundestag.

Die Wixhäuser haben keine Fragen an Huber. Etwa die Hälfte verschwindet gleich nach der Rede, na gut, es ist Mittagessenszeit. Eine Wählerin sagt, viele Dinge seien ja nur angeschnitten worden. Man müsste sich mal richtig Zeit nehmen und ausführlich darüber sprechen. Zusammengezuckt sei sie aber, als es um den Flughafen ging. Den hob Huber als wichtigen Arbeitgeber hervor, aber auf das Lärmproblem ging er kaum ein. Eine andere fand die Rede zu "bauschig". Den Inhalt hätte man auch in weniger Worte packen können.

Huber ist zufrieden. "Ich hab' zweimal Zwischenapplaus bekommen, das kann ich mir schon ans Revers stecken." Am Ende bekommt er sogar einen Lacher. Als er am Tisch mit den Vereinsvertretern vorbeigeht fragt einer: "Und was machen Sie sonst beruflich?" Kurz herrscht Stille, dann bricht Gelächter aus. "Ich bin Schauspieler." - "Dachte mir schon, dass Sie mir bekannt vorkommen."

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