Steuerflucht:Selbstgebohrte Schlupflöcher

Geheime Konten und Briefkastenfirmen existieren nur aus einem Grund: Die Regeln des europäischen Binnenmarkts erlauben es. Es mag moralisch verwerflich sein, illegal ist es keineswegs. Ad-hoc-Initiativen und Schuldvorwürfe der Politiker sind daher fehl am Platz.

Ein Kommentar von Cerstin Gammelin

Europas Politiker versuchen, ihr Versagen beim Schließen von Steuerschlupflöchern durch Ad-hoc-Initiativen und gegenseitige Schuldvorwürfe zu verschleiern. Doch anders als Berlin, Wien oder London behaupten, gibt es nur einen Grund, weshalb geheime Konten existieren und Steuern hinterzogen werden können - weil es die Regeln des europäischen Binnenmarktes erlauben. Und so läuft in der emotional geführten Debatte um Steuerparadiese und Schwarzgeldkonten immer mehr durcheinander.

EU-Bürger, die ihr Geld auf Konten im europäischen Ausland parken, nutzen nur die Regeln des Binnenmarktes. Man kann das moralisch verwerflich finden, illegal ist es keineswegs. Und legal ist es auch, Firmen zu gründen, deren Eigentümer und Gewinne im Verborgenen bleiben. Die 27 EU-Regierungen haben es so beschlossen, und sie haben mit diesen Regeln lange Zeit gelebt, ohne dass sie Anstoß erregt hätten.

Jetzt jedoch zeigen die Staaten, die Autos bauen oder Champagner erzeugen, auf jene, die mit Bankgeschäften ihr Geld verdient haben. Sie vergessen dabei, dass sie selbst diese Bankenplätze genutzt und davon profitiert haben. Und der Bürger, der auf Steuergerechtigkeit hofft, wird abgelenkt. Die Politiker, die einander lautstark beschuldigen, sollten sich besser an einen Tisch setzen und die Regeln des Binnenmarktes so ändern, dass Steuerhinterziehung europaweit unmöglich wird.

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