Steuerabkommen mit der Schweiz:Spiel auf Zeit

Schweiz erlässt Haftbefehle gegen NRW-Steuerfahnder

In Berlin sind sich die Schweiz und Deutschland ganz nah, zumindest örtlich: Die eidgenössische Botschaft ist nicht weit vom Reichstag entfernt

(Foto: dpa)

Erstmal abwarten: In der verfahrenen Diskussion um ein deutsch-schweizerisches Steuerabkommen hat es keines der beiden Länder eilig, zu einer Lösung zu kommen. Die Schweiz muss den Eindruck vermeiden, gegenüber den Deutschen einzuknicken. Und auch Finanzminister Schäuble taktiert aus innenpolitischen Gründen.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin und Wolfgang Koydl, Zürich

Wenn die Zahl der Wortmeldungen in der Politik ein Indiz für Fortschritt in der Sache wäre, dann stünde die scheinbar unendliche Geschichte um das geplante deutsch-Schweizerische Steuerabkommen jetzt endlich vor der Auflösung. Binnen weniger Stunden meldeten sich diese Woche viele bedeutende Menschen zu Wort, darunter der Schweizer Außenminister, sein deutscher Kollege, der SPD-Kanzlerkandidat, der nordrhein-westfälische Finanzminister und der Vizechef der SPD-Fraktion.

Nur die Hauptverantwortlichen beider Länder, die Finanzminister Eveline Widmer-Schlumpf und Wolfgang Schäuble (CDU), blieben verdächtig still.

Wenig Interesse an Gesprächen

Kein Wunder, denn in Wahrheit gibt es in der Sache wenig Neues. Zwar ist das Thema nicht zu den Akten gelegt. Weder Schäuble aber, noch Widmer-Schlumpf haben derzeit ein Interesse daran, die bilateralen Gespräche wieder aufzunehmen - aus innen- wie außenpolitischen Gründen.

Die Schweizerin etwa muss einerseits gegenüber dem heimischen Publikum den Eindruck vermeiden, gegenüber den Deutschen einzuknicken. Andererseits versucht sie, den internationalen Druck auf ihr Land nicht noch dadurch zu verschärfen, dass man einzelnen Ländern gegenüber Zugeständnisse macht, die andere nicht erreicht haben. Und ihr deutscher Kollege verspürt seinerseits wenig Lust, sich vor der Bundestagswahl in Verhandlungen mit dem SPD-dominierten Bundesrat noch einmal eine blutige Nase zu holen.

Bundestag

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Berlin: Er hofft, dass sich die Dinge von alleine bewegen

(Foto: dpa)

Schäuble setzt vielmehr darauf, dass sich die Dinge von allein bewegen und sich die Schweiz dem immens gewachsenen Druck auf die Steueroasen der Welt nicht mehr lange wird widersetzen können. Tatsächlich hatte Widmer-Schlumpf beim G-20-Treffen vor wenigen Tagen in Washington bereits ein Einlenken angedeutet und sogar das Unwort vom "automatischen Informationsaustausch" zwischen den Schweizer Banken und den Finanzämtern ihrer ausländischen Kunden in Mund genommen. Die Zeit, das weiß der Bundesfinanzminister, spielt für ihn.

Das gilt umso mehr, als mit Luxemburg und Österreich auch die letzten beiden EU-Länder ihren grundsätzlichen Widerstand gegen den automatischen Informationsaustausch aufgegeben haben. Sie hatten Regierungen wie der in Bern bisher als Alibi gedient. "Wir ernten jetzt die Früchte unserer beharrlichen Gespräche mit den Beteiligten der letzten Monate und Jahre", sagt ein Ministeriumssprecher in Berlin.

Auch die Kaimaninseln und die Bermudas machen mit

Ziel sei es nun, die EU-Zinsrichtlinie einerseits inhaltlich auf andere Kapitaleinkünfte wie Wertpapierverkaufsgewinne und Dividenden sowie geografisch auf Luxemburg, Österreich und möglichst viele Drittstaaten auszudehnen. Nach Angaben des britischen Schatzkanzlers George Osborne wollen selbst so exotische Steueroasen wie die Kaimaninseln und die Bermudas den EU-Staaten bald Auskünfte erteilen.

Bis es soweit ist, dürften noch Jahre vergehen. Und dennoch bringt der Kurswechsel der Schweiz und anderer Finanzplätze daheim auch die SPD in die Bredouille: Zwar können die Sozialdemokraten darauf verweisen, dass Sie im Umgang mit Bern eine Lösung verhindert haben, die sehr viel schlechter gewesen wäre als die sich jetzt abzeichnende.

Steuerhinterzieher sollen "Hosen runter lassen"

Das gilt aber nur für die Zukunft, nicht für die Vergangenheit: Hier sah der Vertrag eine zwar anonyme, dafür aber schmerzhafte pauschale Nachbesteuerung der Kontoguthaben für zehn Jahre vor, die jetzt nicht kommt. Damit "verjähren weiterhin Jahr für Jahr am 31.12. Hunderte Millionen Euro Steuerforderungen", heißt es in Berliner Regierungskreisen. "Von den Milliarden an entgangenen Steuereinnahmen durch die im Abkommen enthaltene pauschale Nachversteuerung für die Vergangenheit ganz zu schweigen."

Die SPD hat diese Achillesferse bereits erkannt und fordert nun ein bilaterales Abkommen zur Regelung von Altfällen. Bedingung sei, dass die Schweiz ihr Bankgeheimnis dabei lüfte und "die Steuerhinterzieher gegenüber den deutschen Finanzbehörden die Hosen runterlassen müssen", sagte Vizefraktionschef Joachim Poß.

Das ist eine Forderung, die den Juristen Schäuble regelmäßig auf die Palme bringt, wie auch am Donnerstag in Regierungskreisen bestätigt wurde: Eine rückwirkende Aufhebung des Bankgeheimnisses "wäre weder in Deutschland noch in der Schweiz verfassungsrechtlich zulässig", heißt es. Auch die Schweiz hat bereits abgewunken: Sein Land halte für Altfälle an der - anonym zu entrichtenden - Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge fest, so Minister Burkhalter. Sie entspreche schlicht "Schweizer Werten".

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