Sparkurs in Portugal:Ein Land trägt Schwarz

In höchsten Tönen lobt Merkel Portugal für seine Sparmaßnahmen. Das Land aber merkt wenig von den vermeintlichen Fortschritten. Die Wirtschaft schrumpft, die Menschen resignieren - Arbeit gibt es kaum, und wenn, dann ist sie miserabel bezahlt. Nein, die Kanzlerin hat ein anderes Motiv, weshalb sie Portugal mal eben zum Erfolgsmodell erklärt.

Sebastian Schoepp

Erst kommt das Sparen, dann kommt das Glück. Mit dieser Botschaft reist Angela Merkel durch Südeuropa. Kein Land hat sich dieses Dogma so zu eigen gemacht wie Portugal. Der konservative Regierungschef Pedro Passos Coelho und sein Finanzminister Vitor Gaspar erfanden 2011 die "Politik des Musterschülers", die dem Leitsatz folgt: Wir machen nicht nur alles, was man uns sagt, wir machen es auch aus Überzeugung.

So haben sie gespart und Steuern erhöht, Löhne gekürzt und privatisiert, ihr Land zu einem Selbstbedienungsladen gemacht: Fluggesellschaft gefällig? Ein international tätiges Energieunternehmen? Eine Telefongesellschaft? In Portugal billig zu haben.

Mit diesem marktliberalen Aktionismus hat die Regierung das Land zwar aus der Schusslinie des europäischen Spar-Direktoriums gebracht. Doch um welchen Preis? Der Konsum steht still, dieses Jahr wird die Wirtschaftsleistung um drei Prozent schrumpfen. Die Armut nimmt zu, Arbeit gibt es kaum, und wenn, dann ist sie miserabel bezahlt, was die Lohnstückkosten senken mag, aber weder Leistungsbereitschaft noch Produktivität erhöht.

2013 wird die Arbeitslosigkeit 16 Prozent übersteigen. Eine Generation junger Portugiesen wird in ihren alten Kinderzimmern leben müssen, weil eine eigene Wohnung außerhalb ihrer Möglichkeiten liegt. Viele emigrieren wie in den Fünfzigerjahren.

Depression ist die Antwort der Portugiesen auf die Krise

Anders als die Griechen haben die Portugiesen auf die schwerste Krise seit der Demokratisierung eher mit Depression als mit Wut reagiert. Lissabon trug Schwarz bei Merkels Besuch. Auch die Kanzlerin weiß, dass Portugal und ebenso Spanien dringend Erfolge brauchen. Deshalb lobt sie beide Länder für ihre Sparanstrengungen.

Doch tut sie das, weil sie wirklich Fortschritte sieht? Oder weil die Euro-Krise langsam lästig wird? In Deutschland hat der Wahlkampf begonnen, Erfolgsmeldungen müssen her, weshalb Portugal mal eben zum Erfolgsmodell hochgejubelt wird. Auch wenn die Menschen dort von diesen vermeintlichen Erfolgen nichts, aber auch gar nichts mitkriegen.

Die historisch guten Beziehungen leiden massiv. Portugiesen und Spanier sind die einzigen Kontinentaleuropäer, die die Deutschen nicht als Besatzer, sondern als Touristen kennengelernt haben.

"Wir wollen nicht Opfer von Experimenten sein."

Doch in der Rolle des Zuchtmeisters zieht Deutschland ungekannte Aggressionen auf sich. "Warum wir die Deutschen hassen", überschrieb ein portugiesischer TV-Sender einen Bericht über Merkels Besuch. Es ist vor allem das Gefühl, von außen dominiert zu werden, das die Portugiesen lähmt. Paulo Baldaia, Direktor einer Radiostation, sagt: "Es gibt einen breiten Konsens, dass wir unsere Kasse in Ordnung bringen müssen. Aber deswegen wollen wir noch lange nicht Opfer von Experimenten sein, die zum Scheitern verurteilt sind."

Das Experiment besteht darin, deutsche Verhältnisse auf Südeuropa übertragen zu wollen. Merkel betont ja stets, dass es auch in Deutschland gedauert habe, bis die Reformen gewirkt hätten. Doch die deutsche Volkswirtschaft ist mit der Portugals oder Spaniens nicht vergleichbar. Beide Länder waren gerade erst dabei, den historischen Rückstand aufzuholen, den ein von Diktaturen geprägtes, paternalistisches und starres Wirtschafts- und Bildungssystem hinterlassen hatte. Die Krise hat diese Anstrengungen brutal gestoppt.

Jetzt gilt es, die guten Ansätze im Überseehandel, in Energiewirtschaft, Telekommunikation und Zulieferindustrien wiederzubeleben und zu fördern, damit die Länder selbstbewusster werden und aus der Depression finden.

Leider fehlen den nationalen Politikern dafür die Ideen, deshalb ist es Aufgabe europäischer Politik. Das Spardogma hingegen verwandelt Südeuropa zusehends wieder in das Armenhaus, das es bis vor wenigen Jahrzehnten war.

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