Sharif siegt bei Wahl in Pakistan:Fassadendemokratie mit Rissen

Nawaz Sharif, Pakistan, Wahl

Wieder da: Wahlsieger Nawaz Sharif winkt seinen Unterstützern in der pakistanischen Stadt Lahore zu.

(Foto: AFP)

Nawaz Sharif zum Dritten: Der pakistanische Wahlsieger ist ein altbekanntes Gesicht. Der deutliche Vorsprung des Muslimliga-Chefs ist ein Beleg für die Teflonqualitäten der Politikerdynastien. Der Ansturm neuer Kräfte prallt an den Zitadellen ihrer Macht ab. Trotzdem zeugen diese Wahlen von größeren Umbrüchen in der Gesellschaft.

Ein Kommentar von Arne Perras

Die Atommacht Pakistan hat in ihrer Geschichte nur zwei Typen von Herrschern kennengelernt: den putschenden General und den Stehauf-Premier. Daran ändern auch die Wahlen vom Samstag nichts. Der strahlende Sieger, Nawaz Sharif, ist ein altbekanntes Gesicht. Sein Triumph erschüttert all jene Pakistaner, die sich von den etablierten Cliquen lösen wollten, auf der Suche nach einem neuen Pakistan. Daraus wurde erst einmal nichts.

Sharif war schon zwei Mal Premierminister, bevor er durch einen Militärputsch stürzte. Er floh ins Exil und kehrte später zurück. Nun schwimmt er noch einmal ganz nach oben, getragen von seiner korrupten, aber doch bestens vernetzten Muslim-Liga, welche die bevölkerungsreichste Provinz Punjab dominiert. Seine Partei holte, wie von vielen erwartet, die meisten Mandate. Sollte er damit eine stabile Regierung bilden können, so wäre dies von Vorteil für die USA und die Nato-Staaten, die ihren Abzug aus Afghanistan via Pakistan organisieren müssen. Ihnen helfen stabile, kalkulierbare Verhältnisse, wobei immer noch schwer abzuschätzen bleibt, ob und wie viel Sharif von seiner anti-amerikanischen Rhetorik tatsächlich umsetzen wird. Anzunehmen ist, dass er sich pragmatisch vorantastet und den Weg des geringsten Widerstandes gehen wird.

Teflonqualitäten der Politikerdynastien

Dass sein Vorsprung bei der Wahl recht deutlich ausfiel, ist ein bemerkenswerter Beleg für die Teflonqualitäten der pakistanischen Politikerdynastien. Der Ansturm neuer Kräfte prallt an den Zitadellen ihrer Macht ab. Sie wissen, wie sie im lange eingeübten System der Patronage Gefolgschaft erfolgreich mobilisieren. Die Seilschaften der einflussreichen Familien sind weitgehend intakt, und sie tragen die altbekannten Kandidaten wie früher bis nach ganz oben.

Dennoch ist der 11. Mai nicht alleine Tag des Triumphs für Pakistans Ancien Régime. Es mag im Siegesgeheul Sharifs nun erst einmal untergehen - aber ganz sicher ist manches in Bewegung geraten. Ein politisches Beben erwartete niemand. Dennoch künden diese Wahlen von größeren Umbrüchen in der Gesellschaft, die eine künftige absolute Vorherrschaft der Politikerdynastien doch ins Wanken bringen können. Cricket-Star Imran Khan, der Pakistan neu erfinden will, schaffte es immerhin, zweitstärkste Kraft zu werden. Das bedeutet, dass die Fassadendemokratie Pakistans, die stets als uneinnehmbare Bastion der privilegierten Klassen erschien, erstmals Risse zeigt.

Sehnsüchte nach Wandel

Daran sind die eingesessenen Patrone selbst schuld. Sie haben mit ihrer Vetternwirtschaft so viel Frust und Enttäuschung geschaffen, dass ein ganz neuer Akteur die Bühne betreten konnte, für den im abgekarteten Spiel pakistanischer Politik gar kein Raum vorgesehen war. Imran Khan ist Idol der Jugend und zieht alle Sehnsüchte nach Wandel auf sich. Früher hätten die Enttäuschten vielleicht nach dem Militär gerufen, aber die Armee hält sich in diesen Zeiten zurück. Und so wirkten manche unzufriedene Pakistaner in diesen Tagen wie erschöpfte Schiffbrüchige, die sich in letzter Minute noch an einen vorbeitreibenden Cricket-Schläger klammerten.

Pakistans Führungscliquen haben es sich immer gut eingerichtet zwischen Minarett und Militärkaserne. Zwar hat es die zuvor regierende Volkspartei PPP des Bhutto-Klans nicht mehr an die Macht geschafft, weil sie sich in den Augen vieler allzu schamlos am Volksvermögen bereicherte. Die Schwäche der PPP verhalf dem anderen etablierten Lager zur Macht. Ganz ähnlich wechselte das auch früher schon hin und her.

Nichts ist verloren, solange man nur weiterkämpft

Der Triumph Sharifs wird die Aufbruchstimmung in der reformhungrigen Jugend erst einmal dämpfen. Aber wenn der geschlagene Superstar Khan seinem Motto treu bleibt - nichts ist verloren, solange man nur weiterkämpft - dann wird man noch von ihm hören. Als Oppositionsführer kann er sein Profil schärfen und seine politische Basis erweitern. Sollte er mit einer der beiden etablierten Großparteien eine Koalition eingehen - was er zuvor strikt abgelehnt hat - würde er seiner Glaubwürdigkeit sehr schaden.

Khan, ein schillernder, aber auch sehr widersprüchlicher Mann, hat Schwung in die Politik gebracht. Das sieht man nicht zuletzt auch daran, dass so viele überhaupt ihre Stimme abgegeben haben. Die Wahlbeteiligung war weit höher als beim letzten Mal - trotz des Terrors und der Anschläge islamistischer Wahlgegner.

Die Pakistaner trotzen dieser Gewalt, mutig und mit der Zuversicht einer jungen, selbstbewussten Nation, die dem islamistischen Terror nicht das Feld überlassen will. So gesehen, haben alle bei diesen Wahlen gewonnen, die sich nicht weggeduckt, sondern mitgemacht haben.

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