Schwarz-Gelb: Menschenrechtspolitik:Geld sagt mehr als tausend Worte

Schwarz-gelbe Streichliste: Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle predigen immer und überall die Menschenrechte - und kürzen die Hilfe dafür besonders rabiat zusammen. Die Zahlen sind bestürzend.

Herta Däubler-Gmelin

Die Haushaltsberatungen dieser Woche im Bundestag zeigen allen Interessierten wieder einmal Zweierlei: Politik braucht nicht nur dringend mehr Ideen, Mut und Gerechtigkeitssinn. Sondern Politik kostet auch Geld, und jede Regierung finanziert die ihr wichtigen Vorhaben besonders gut und kürzt in weniger geschätzten Bereichen besonders stark.

German Chancellor Merkel and Foreign Minister Westerwelle attend Bundestag debate about the federal budget in Berlin

Merkel und Westerwelle: Reden und Handeln stimmen nicht immer überein.

(Foto: REUTERS)

Die Zahlen des Haushalts, die Steigerungen und Kürzungen weisen also die politischen Schwerpunkte der Mehrheit, zurzeit der schwarz-gelben, aus - und auch das sehr deutlich, was sie für weniger wichtig hält. Bundeshaushalte sind daher klarer und häufig auch ehrlicher als Kanzler- und Ministerreden.

Nach dem heftigen - und mehr als berechtigten - Streit um die ärgerlichen und teuren Mehrwertsteuer-Privilegien für Hoteliers stehen in den Haushaltsdiskussionen dieser Woche die erneuten Subventionen für Energiekonzerne und die finanziellen Kürzungen bei den Hilfen für Familien und Bedürftige im Vordergrund.

Weniger beachtet wird bisher die Kursänderung in anderen wichtigen Politikbereichen, zum Beispiel bei der Politik für Menschenrechte. Hier klingen allen die schönen Reden von Bundeskanzlerin Merkel und des Außenministers im Ohr, die Deutschlands Eintreten für die Förderung der Menschenrechte wie ein Mantra vor sich hertragen und auch nicht müde werden, andere Länder ebenfalls zu einer solchen Politik zu mahnen.

Solche Worte sind längst zum "Muss" für jede Ansprache auf internationalen Konferenzen und bei Staatsbesuchen geworden. Gerade erst vor wenigen Wochen hat Minister Westerwelle während der deutschen Kampagne für die Wahl der Bundesrepublik zum nichtständigen Mitglied des Weltsicherheitsrats für die kommenden beiden Jahre wieder mit Deutschlands Verpflichtung und Engagement für die Menschenrechte auf Ebene der Vereinten Nationen sowie in aller Welt geworben. Das war gut und erfolgreich und trägt sehr zum deutschen Ansehen bei.

Starke Kürzungen

Umso bestürzender lesen sich deshalb die Kürzungszahlen gerade im Etat des Auswärtigen Amtes für 2011 - und zwar überall dort, wo es um Aufgaben im Menschenrechtsbereich geht. Gerade hier hat er den Rotstift weit stärker als in anderen Bereichen angesetzt; bei der Finanzierung der Menschenrechtsaufgaben kürzt er besonders stark.

Einige Beispiele dafür: Westerwelle streicht die finanzielle Förderung der Menschenrechtsarbeit im Rahmen der sogenannten Internationalen Demokratisierungshilfe nahezu auf die Hälfte zusammen. Das ist empörend, weil jeder Kundige weiß, ob er nun im Auswärtigen Amt, dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, in den beteiligten Bundestagsausschüssen oder in einer unserer vielen international engagierten nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen tätig ist, dass gerade auf diesem Gebiet mehr angestoßen und durchgesetzt werden muss, wenn Deutschland über die Entwicklung einer gerechten und menschlichen globalen Ordnung mehr als lediglich plaudern will.

Genauso ärgerlich ist, dass der Haushalt in bestürzender Deutlichkeit die weit überdurchschnittliche Kürzung der Gelder für das Minenräumen zu humanitären Zwecken ausweist - als ob nicht jedermann noch die Fernsehbilder der verstümmelten und getöteten Kinder aus früheren Kriegs- und Konfliktgebieten vor Augen hätte, die beim Spielen auf eine versteckte Mine gestoßen waren.

Unverzichtbare Hilfe für Kinder

Auch heute müssen noch Millionen Minen in nahezu allen früheren Konfliktgebieten geräumt werden, damit nicht immer weitere Generationen von Kindern ihr Leben oder ihre Gesundheit verlieren. Deshalb reicht es auch für Deutschland nicht aus, für neue Internationale Vereinbarungen zur Ächtung dieser schrecklichen Waffen einzutreten; auch unser Land kann und muss mehr zum Schutz von Kindern in ehemaligen Konfliktgebieten tun, zumal ja auch Firmen aus Deutschland an den Zündern verdient haben und noch verdienen.

Eine dritte, auch politisch besonders schädliche Kürzung enthält der Bundeshaushalt bei der Förderung der Arbeit wichtiger und anerkannter internationaler Menschenrechtsorganisationen. Ganz offensichtlich will die schwarz-gelbe Bundesregierung die Arbeit von Unicef, des wichtigen Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, nicht mehr wie bisher fördern, obwohl gerade diese UN-Organisation unverzichtbare Hilfe für Kinder in Hunger- und Elendsgebieten leistet.

Auch die Mittel für UNWRA, also das UN-Flüchtlingshilfswerk für die palästinensischen Flüchtlinge, streicht der Bundesaußenminister zusammen. Das ist besonders unverständlich, nachdem er doch bei seinem wichtigen Besuch im Gaza-Streifen selbst sehen konnte, wie elementar gerade die Hilfe von UNWRA für das Überleben der meisten Menschen dort ist. Wie soll UNWRA denn die Schulen für die Kinder offen halten und für die Sicherung der Ernährung und medizinischen Versorgung der Bevölkerung sorgen, wenn sogar Deutschland seine Beiträge um circa ein Drittel zusammenstreicht?

Ärgerlich und schädlich

Politisch besonders auffällig - und damit nicht nur ärgerlich, sondern besonders schädlich - ist, dass der Außenminister die deutschen Beiträge zur Finanzierung des Büros der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte und stellvertretenden Generalsekretärin der Vereinten Nationen, Navi Pillay, um etwa ein Drittel kürzt. In New York klang seine Unterstützung der Vereinten Nationen noch ganz anders - die klaren Zahlen des Bundeshaushalts zeigen, dass die Hochkommissarin für Menschenrechte und ihre Arbeit offensichtlich nicht hoch in der Gunst der Bundesregierung stehen.

Ob das damit zusammenhängt, dass Frau Pillay, diese international hoch angesehene und Deutschland sehr verbundene südafrikanische Menschenrechtsaktivistin und frühere Richterin an Internationalen Menschenrechtsgerichten, gelegentlich auch kritische Mahnungen in Richtung Bundesregierung äußert? Im September hat sie es gewagt, darauf hinzuweisen, dass auch die Rückführung von Roma aus Deutschland in den Kosovo gegen die Menschenrechte verstößt und zudem den Kindern jede Chance auf Zukunft nimmt.

Will es die schwarz-gelbe Politik wirklich beim Verdacht belassen, sie antworte mit Beitragskürzungen auf berechtigte Kritik, wie der Bundeshaushalt 2011 das signalisiert? Der Bundestag darf das nicht zulassen. Änderungen in letzter Minute müssen her. Sonst nimmt die Glaubwürdigkeit der deutschen Menschenrechtspolitik Schaden.

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