Ron Paul zieht sich aus Politik zurück:Abschiedsparty der Störenfriede

Der Anführer zieht sich aus der Politik zurück, aber die "Revolution" ist noch nicht vorbei. Ron Paul ist Gesicht und Stimme einer libertären Bewegung innerhalb der US-Republikaner. Seine Anhänger wollen weiter für ihre Ideen kämpfen - auch wenn es auf Mitt Romneys Nominierungsparteitag in Tampa einen Waffenstillstand gibt.

Christian Wernicke, Tampa

Der alte Mann ist verlegen. Er lächelt, seine Hände wirbeln durch die Luft, als könnten sie die Wogen des Beifalls irgendwie abwehren. Ron Paul weicht zurück, für einen Moment sieht es so aus, als wolle der 77 Jahre alte Freigeist von der Bühne fliehen. Denn die 10.000 Anhänger, die im Halbdunkel des Sun Dome, der riesigen Basketballarena der Universität von Florida, jetzt johlen, pfeifen und klatschen, kennen kein Erbarmen: Drei, vier Minuten lang tobt ihr Jubel, ehe noch einmal der Slogan ihres längst geplatzten Traums erschallt: "President Paul, President Paul!"

Ron Paul Holds Rally On Eve Of The Republican National Convention

Sie johlen, sie pfeifen, sie klatschen: 10.000 Anhänger feiern Ron Paul, der Vordenker der libertären Republikaner.

(Foto: AFP)

Es ist der letzte Auftritt eines Patriarchen. Ron Paul, der hagere, stets wortflinke Kongressabgeordnete aus Texas, hat seine ihm leidenschaftlich ergebenen Fans zur finalen Manifestation versammelt. Mehr als zwei Millionen Menschen haben im Frühjahr in den Vorwahlen der Republikaner für ihn gestimmt, und Meinungsforscher schätzen, dass mehr als zehn Prozent aller Wähler sich mit diesem Vordenker der libertären, streng marktgläubigen Bewegung identifizieren. Nun aber ist Schluss: Paul will nicht wieder fürs Repräsentantenhaus kandidieren. Und auch seine Kampagne für die Präsidentschaft endet hier, in diesem Sportpalast in Tampa. Am Tag vor der Eröffnung des pompösen Wahlparteitags der Grand Old Party zieht sich der 18-fache Großvater zurück.

Nur, aufgeben wird er nicht. Niemals! Zwar sei er, so hebt Paul an, "ziemlich besorgt gewesen" in dieser Woche: "Nein, nicht wegen des Hurrikans", der da vor der Küste Floridas vorbeizieht und die Menschen am Golf bedroht. Vielmehr habe er "in ein paar bösen Artikeln" gelesen, wie das Establishment der Republikaner ihn und seine Bewegung nun politisch für tot erkläre: "Da heißt es, die Revolution sei vorbei." Prompt wallen Buhrufe auf, Paul schaut schelmisch drein: "Das hätten sie wohl gern!" Dann folgt sein Vermächtnis. Wichtiger als der ganze Parteitag, wichtiger sogar als die Wahl im November sei "das Anliegen, das wir voranbringen". Der Kampf gehe weiter: "Fördert die Sache der Freiheit in revolutionärem Geist!"

Dass Paul schon vor dem Parteitag abtritt, gilt als Signal für eine Art Waffenstillstand. Der libertäre Flügel der Republikaner, der dank dieses charismatischen Führers stärker und lauter denn je ist, ist zwar empört, wie Parteimanager sie per Geschäftsordnung an den Rand drängen. Eine Delegierte, die tagelang in Gremien gegen fragwürdige Statuten kämpfte, verkündet kurz vor Pauls Auftritt sogar, man habe "in Tampa Schlachten verloren - doch der Krieg geht weiter". Aber das sind Ausreißer, die Freigeister werden während der nächsten Tage nicht mehr stören.

Denn die Partei hat ein paar Konzessionen gemacht. So hat das republikanische Wahlprogramm Pauls Forderung aufgegriffen, das Gebaren der unter Marktradikalen zutiefst verhassten Zentralbank einer genauen Revision zu unterwerfen. Und die Idee, den Dollar wieder ans gute, alte Gold zu binden, soll nun eine Kommission prüfen. Zudem versprach die Parteiregie, Ron Paul per Videobotschaft während der Republican Convention zu würdigen. Frei reden aber darf er dort nicht. Die Berater von Mitt Romney, dem designierten Präsidentschaftskandidaten, wollten den unabhängigen Kopf nur ans Saalmikrofon lassen, falls er zuvor seinen Text zur Zensur vorgelegt hätte. Paul lehnte empört ab.

Selbst die Tea Party mahnt zur Einheit

Die rechte Parteibasis beginnt, sich mit Mitt Romney, dem ungeliebten Kandidaten, allmählich zu arrangieren. Auch die Tea-Party, die in Tampa in der Nacht zum Montag ein paar hundert Aktivisten in einer Kirche versammelte, bläst zur Einheit: "Unity!", inklusive Ausrufezeichen, prangte als Motto über einer Kundgebung, bei der etwa Michele Bachmann, vor acht Monaten noch eine erzkonservative Romney-Gegnerin, zum Kampf gegen den wahren Gegner aufrief: Von nun an müsse es gegen den demokratischen Präsidenten und gegen "Obamacare", dessen Gesundheitsreform, gehen.

So weit sind noch nicht alle Anhänger von Ron Paul. Vor allem die vielen jungen Fans hadern noch. Jared zum Beispiel, ein 28-jähriger Programmierer aus Pittsburgh, erinnert sich noch zu genau, wie er sich daheim in Pennsylvania für sein Idol verkämpft hat - und wie der Apparat der Partei ihnen zugesetzt hat. Jared streicht sich über die kurzrasierten blonden Haare, als ihm die im November nahende Gewissensfrage gestellt wird: "Romney wählen? Mensch, ich weiß es einfach noch nicht." Vielleicht bleibt er auch zu Hause.

Andere haben derweil ihren Frieden gemacht. Donald Handeland zum Beispiel, ein 19-jähriger Student und Delegierter aus Alaska. Donald fällt auf, weil er sich nicht wie die meisten Paul-Fans eines der dunkelblauen Shirts übergestreift hat: "Ron Paul, wir sind die Zukunft", steht da drauf. Nein, Donald trägt bereits Rot, die Farbe der Republikaner: "Die Vorwahlen sind vorbei, jetzt müssen wir die Reihen schließen."

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