Rätsel der Woche:Warum erklärt Netanjahu den Holocaust neu?

Israels Regierungschef hatte mit seinen Aussagen über den Großmufti ein Ziel.

Von Peter Münch

Israels Regierungschef hält sich einiges darauf zugute, der Sohn des Historikers Benzion Netanjahu zu sein. Umso irritierender war die geschichtliche Neubewertung des Holcocaust, zu der sich Benjamin Netanjahu in dieser Woche aufschwang. Eine Mitschuld am Massenmord an sechs Millionen Juden gab er dabei dem Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, der sich mit Hitler im November 1941 in Deutschland getroffen hatte. "Hitler wollte zu dem Zeitpunkt nicht die Juden vernichten", sagte Netanjahu in einer Rede vor dem Zionistischen Weltkongress. "Hadsch Amin al-Husseini ging zu Hitler und sagte: Wenn du sie ausweist, kommen sie alle her." Hitler habe daraufhin gefragt: "Was soll ich mit ihnen machen?" Darauf der Mufti: "Verbrenne sie."

Einen Sturm der Entrüstung und manch ungläubiges Kopfschütteln hat Netanjahu damit zu Hause und im Ausland ausgelöst. Der israelische Historiker Moshe Zimmermann bescheinigte ihm sogar eine "Form von Holocaust-Leugnung". Dina Porat, die Chef-Historikerin der Gedenkstätte Jad Vaschem, nannte die These "eindeutig faktisch falsch" und sagte: "Wir zerbrechen uns alle den Kopf, warum Netanjahu das gesagt hat."

Die Antwort muss wohl lauten: aus politischem Kalkül. Die Warnungen vor einer stets neuen existenziellen Bedrohung des jüdischen Volkes prägen die Politik Netanjahus. So hat er Iran im Streit um dessen Atomprogramm oft mit Nazi-Deutschland verglichen und vor einem "nuklearen Holocaust" gewarnt. Die Vorwürfe gegen den Jerusalemer Großmufti, der gewiss ein Judenhasser war, sollten ihm nun als Munition dienen in der aktuellen Auseinandersetzung mit den Palästinensern, bei denen al-Husseini als Volksheld gilt. Doch diese Attacke, die Ne-tanjahu höchstens halbherzig relativierte, ging nach hinten los. Im eigenen Land wird ihm nun vorgeworfen, den "Holocaust zu verscherbeln".

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