Pseudo-Wahl in Nordkorea:Kims demokratischer Mantel

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Die Parlamentswahl in Nordkorea ist eine Farce, denn die Wähler werden an die Urnen gezwungen und das Ergebnis steht schon vorher fest. Angeblich will Kim Jong Un damit seine Macht zementieren. Doch wie viel Macht hat er überhaupt noch? Es gibt Indizien dafür, dass der Jungdiktator selbst nur noch eine Marionette ist.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea hat am Sonntag seine Oberste Volksversammlung neu gewählt, das Pseudo-Parlament der isolierten Diktatur. Eine Wahl hatten die knapp 16 Millionen Wahlberechtigten allerdings nicht. Auf den Wahlzetteln der 687 Einerwahlkreise stand jeweils nur ein Name.

Hätte jemand in dieser de facto offenen Wahl gegen den offiziellen Kandidaten gestimmt, er hätte den Machtapparat zur Repression geradezu aufgefordert. Schon eine Nichtteilnahme wird als Subversion betrachtet. Entsprechend meldete Pjöngjangs staatliche Nachrichtenagentur nach Schließen der Wahllokale eine fast 100-prozentige Wahlbeteiligung. Nur ein paar im Ausland weilende Bürger hätten nicht gewählt.

Jungdiktator Kim Jong Un trat im Wahlkreis 111 an. Dieser liegt am Paektu-Berg, der legendären Geburtsstätte des koreanischen Volkes. Die nordkoreanische Propaganda hat den Paektu zum heiligen Berg stilisiert, sie behauptet, Kim Jong Il, der Sohn des Staatsgründers Kim Il Sung, sei dort geboren. Das stimmt nachweislich nicht. Wie der junge Kim hatten auch sein Vater und Großvater sich jeweils in diesem kaum bewohnten Wahlkreis 111 wählen lassen, in dem sich Offiziere und Angehörige der Elite als Wähler registrieren.

Abgeordnete gleichgeschaltet

Nominell ist die Oberste Volksversammlung Nordkoreas Legislative und das höchste Machtorgan im Land, in Wirklichkeit jedoch eine reine Nickbehörde. Wie früher in der Sowjetunion üblich, delegieren die Abgeordneten ihre Kompetenzen an das Präsidium des Parlaments. Ihm steht bereits seit 1988 Kim Yong Nam vor.

Der 86-Jährige, die Nummer zwei im Land, ist mit dem Kim-Clan nicht verwandt. Anders als die Diktatoren selber reist der einstige Außenminister gern und oft ins Ausland. Zuletzt nahm er in Sotschi an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele teil, wo er Wladimir Putin Grüße von Kim Jong Un überbrachte.

In der abgelaufenen Legislatur gehörten etwa zehn Prozent der Abgeordneten zwei kleineren Parteien an. Das dürfte auch diesmal wieder so sein, ist politisch aber eine Fiktion. Alle Abgeordneten sind in der Demokratischen Front zur Vereinigung des Vaterlandes gleichgeschaltet.

Das nordkoreanische Fernsehen strahlte am Sonntag immer wieder Wahlaufrufe aus. Am Abend zeigte es, wie Kim, seine Frau, ein General und ein hoher Parteifunktionär ihre Stimmen abgaben. Und dann, wie Soldaten auf der Straße von Pjöngjang tanzten, um ihr Glück auszudrücken, dass sie wählen durften.

Erste Wahlresultate wurden erst am Montag veröffentlicht, doch sie standen ja ohnehin fest. So meldete die amtliche Nachrichtenagentur KCNA am Morgen, 100 Prozent der Berechtigten hätten in seinem Wahlbezirk für Kim Jong Un gestimmt. Details zu den übrigen Mitgliedern der 13. Volksversammlung wurden zunächst nicht genannt.

Zuvor präsentierte der Sender Kim eine Stunde lang, wie er Forschungsinstitute, Fabriken, Kindergärten, Wohnsiedlungen und militärische Einheiten besuchte. Überall wurde er mit ekstatischem Jubel empfangen, um dann Ratschläge zu erteilen.

Die glücklichen Nordkoreaner der Propaganda, die tanzend in die Wahllokale pilgern und fröhlich dort Schlange stehen, um ihre Stimme abzugeben, stehen in krassem Gegensatz zu Meldungen, Nordkorea habe die Überwachung nun noch weiter verschärft. Bauwerke, die symbolisch mit der Kim-Familie verbunden seien, würden seit einigen Wochen stärker abgeschirmt als je zuvor.

Was zeigt die Wahl?

Lokale Funktionäre wurden angewiesen, die Bewohner in ihren Vierteln öfter zu Hause zu besuchen und ihre allfälligen Gäste zu registrieren. Zudem erhielten die Patrouillen an der Grenze zu China einen Schießbefehl; sie sollen alle Flüchtlinge erschießen - und auch die Leute, die eine Flucht vorbereiten. Seither ist auch die Zahl der legalen Grenzübertritte zurückgegangen.

Manche Beobachter glauben, diese erste Parlamentswahl seit Kim Jong Uns Machtantritt vor etwas mehr als zwei Jahren habe dem Jungdiktator eine Gelegenheit geboten, seine eigenen Leute in Stellung zu bringen. Und Anhänger seines im Dezember hingerichteten Onkels Jang Song Taek zu isolieren. Damit zementiere er seine Macht weiter. Das würde allerdings voraussetzen, dass Kim die Kontrolle über seinen Apparat hat - und nicht selber eine Marionette von Drahtziehern im Hintergrund ist.

Ein nordkoreanischer Überläufer, der unter dem Pseudonym Jang Jin Sung publiziert, meint, parallel zum Sturz von Jang Song Taek sei im Dezember auch Kim entmachtet worden. Seither regiere in Pjöngjang eine Junta. Die Wortwahl der Propaganda belege das. Sie spreche nicht mehr von der "Anleitung durch den geliebten Führer", sondern von den "Richtlinien und Direktiven der Partei". Die Junta benütze Kim nur noch als Galionsfigur. Er habe keine Macht mehr, legitimiere aber mit seiner Person als Erbe die Erhaltung des Status quo.

© SZ vom 10.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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