Prozessauftakt gegen Pfarrer König:"Böswillig, erstunken und erlogen"

Pfarrer Lothar König vor Gericht

Pfarrer Lothar König wird vor Betreten des Amtsgerichts in Dresden von einem Polizisten und einem Justizmitarbeiter überprüft.

(Foto: dpa)

Er soll bei der Demonstration gegen einen Aufmarsch Rechtsextremer zur Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben - jetzt steht der Jenaer Pfarrer Lothar König in Dresden vor Gericht. Sein krawallhumoriger Anwalt erhebt beim Prozessauftakt schwere Anschuldigungen. Indirekt wirft er Sachsen eine Gesinnungsjustiz vor.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Kurz bevor sein Prozess wegen schweren Landfriedensbruchs beginnt, durchbricht der Pfarrer Lothar König eine Polizeisperre. Es ist 8.50 Uhr am Donnerstagmorgen, die Polizei hat den Zugang zum Gerichtsgebäude mit einer Kette aus Gittern gesichert. Sie sollen die etwa 50 Demonstranten zurückhalten, die den Jenaer Pfarrer vor dem Gericht mit guten Worten und heißem Pausenkaffee beistehen möchten.

Einige der Unterstützer verfolgen den Prozessauftakt auch drinnen, die Verhandlung ist wegen des großen öffentlichen und medialen Interesses in einen Saal des Landgerichts gelegt worden. Dort also muss nun auch König Platz nehmen, und weil es langsam knapp wird, steigt er auf direktem Weg durch eines der Gitter und verschwindet durch die Sicherheitsschleuse.

Im Februar 2011 hat Lothar König, 59, in Dresden an einer Demonstration gegen einen Aufmarsch Rechtsextremer teilgenommen. Dabei soll er zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben. Er ist angeklagt wegen schweren Landfriedensbruchs und versuchter Strafvereitelung, zudem soll er Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet haben. König bestreitet die Vorwürfe, seine Verteidigung hat Johannes Eisenberg übernommen. Der ist nicht nur als fähiger Anwalt bekannt, er ist auch ein krawallhumoriger Anwalt-Darsteller. Deswegen überrascht es kaum, dass der Verhandlung der Vorwürfe ein juristisches Vorspiel in drei Akten voranging.

Akt I: Als Eisenberg im März erstmals Einsicht in die Originalakten nehmen konnte, tauchte darin ein mehr als 170 Seiten starkes Konvolut auf, das nach Anklageerhebung entstanden und der Verteidigung bislang vorenthalten worden war. Eisenberg erreichte eine Verschiebung des Prozessbeginns und erstattete Strafanzeige gegen die Staatsanwaltschaft Dresden.

Akt II: Kurz vor Beginn der Verhandlung am Donnerstag beantragte Eisenberg, Katharina König als "Berufshelferin" zuzulassen. König ist Landtagsabgeordnete der Linken in Thüringen und die Tochter des angeklagten Pfarrers. Eisenberg sagte, er wolle König als Protokollantin und "Hilfsmittel" einsetzen, weil er seine eigene Handschrift nicht lesen könne. Auf Wunsch gebe er gern eine Schriftprobe ab. Der Richter lehnte den Antrag ab.

Akt III: Gleich darauf beantragte Lea Voigt, die zweite Verteidigerin Königs, die Anklageschrift nicht zu verlesen und die Hauptverhandlung auszusetzen. Die Anklage umgrenze die König vorgeworfenen Taten nicht, stattdessen beschreibe sie "lediglich diffus" das Demonstrationsgeschehen am 19. Februar 2011. "Zu wissen, was genau einem vorgeworfen wird" sei Kern jedes rechtsstaatlichen Verfahrens, sagte Voigt. Auch diesen Antrag lehnte der Vorsitzende Richter Ulrich Stein ab.

"Nach Dresden gefahren, um Schaden abzuwenden"

In seiner Erklärung zur Anklage warf Anwalt Eisenberg der Staatsanwaltschaft vor, schon vor Beginn der Ermittlungen in seinem Mandanten "den Teufel auf Erden" gesehen zu haben. Das Verfahren sei von "schweren, die Voreingenommenheit der Staatsanwaltschaft belegenden Fehlern" sowie von "massivem Amtsmissbrauch der Ermittlungsbehörden" geprägt. Einige der Vorwürfe seien "erstunken und erlogen", andere gar "böswillig". Dafür machte Eisenberg die durch ihren Ermittlungseifer gegen linke Demonstranten in Verruf geratene sächsische Justiz verantwortlich. Niemand in Berlin wäre auf die Idee gekommen, einen wie König wegen des Widerstands gegen den Aufmarsch Rechtsextremer anzuklagen. Und auch in Dresden gebe es derzeit "keine Strafbarkeit einer falschen Gesinnung".

Ruhiger äußerte sich der Angeklagte selbst zur Sache. Einige der Vorwürfe hätten ihm regelrecht wehgetan, sagte Lothar König. Denn das Gegenteil dessen, was in der Anklageschrift in und zwischen den Zeilen zu lesen ist, sei wahr: "Ich bin nach Dresden gefahren, um Schaden abzuwenden". Es geht nun um die Frage, die König selbst etwas überhitzt so formuliert: "Bin ich ein Staatsterrorist oder bin ich ein Staatsbürger?" Bis zum 20. Juni sind insgesamt sieben Verhandlungstage angesetzt, um sie zu klären.

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