Prozess in Potsdam:Ex-Grünen-Schatzmeister soll Escort-Service betreiben

Angeklagt ist er wegen Veruntreuung von Parteigeld. Doch jetzt wird dem ehemaligen Brandenburger Grünen-Schatzmeister Christian G. vorgeworfen, auch einen Escort-Service zu betreiben und Huren zu vermitteln - sogar während der Verhandlung.

In dem Prozess gegen den früheren Brandenburger Grünen-Schatzmeister Christian G., der rund eine Viertelmillion Euro Parteivermögen veruntreut haben soll, sind neue Vorwürfe gegen den Angeklagten erhoben worden. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft soll der 34-Jährige in Berlin einen Escort-Service mit mehreren bulgarischen Prostituierten betreiben.

"Es gibt Anhaltspunkte, dass der Angeklagte Huren für Haus- und Hotelbesuche vermittelt", sagte Richter Jörg Tiemann zu Beginn des zweiten Verhandlungstages am Donnerstag am Potsdamer Landgericht. Laut Tiemann liegen dem Gericht Hinweise der Staatsanwaltschaft vor, wonach G. als Zuhälter bulgarische Prostituierte vermittelt und für das Geschäft mit zwei Internetadressen in eindeutiger Milieusprache wirbt.

Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft chauffiert der Beschuldigte die Frauen selbst zu den Freiern. "Er soll die Höhe des Dirnenlohns festlegen und sich die Hälfte auszahlen", sagte Tiemann mit Bezug auf die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörde. G. soll sogar noch während oder nach der Hauptverhandlung in der vergangenen Woche Prostituierte an Freier vermittelt haben, sagte der Richter. Eine dafür verwendete Telefonnummer soll auf den Namen seiner Mutter angemeldet sein.

Nach Angaben eines Sprechers der Staatsanwaltschaft gehen die Vorwürfe auf eine Anzeige einer Bulgarin bei der Berliner Polizei zurück. Die Frau habe G. in der vergangenen Woche angezeigt, weil er ihr nachgestellt haben soll. Sie soll laut Staatsanwaltschaft zu dem von G. betrieben Escort-Service gehören.

"Handeln heute schwer nachvollziehbar"

Aufgrund der neuen Erkenntnisse wurde die Verhandlung unterbrochen. Der Prozess wird sich um mindestens zwei Verhandlungstage verlängern. Die für Donnerstag als Zeugen geladenen Grünen-Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Benjamin Raschke sollen nun am 26. November angehört werden. Einen Tag später ist eine bulgarische Zeugin geladen, die offenbar zum Escort-Service gehört. Die erhobenen Vorwürfe haben zur Folge, dass die Auflagen zur Verschonung vor Untersuchungshaft verschärft wurden. G. ist jeglicher Kontakt zu der geladenen bulgarischen Zeugin untersagt worden, ansonsten würde er wieder in U-Haft kommen.

Der Prozess in Potsdam wird wegen mutmaßlich von G. veruntreutem Parteigeld geführt. Ihm wird vorgeworfen, rund 206.000 Euro von Konten der Landespartei, des Kreisverbandes Oberhavel und des Vermögensverwaltungsvereins der Partei auf seine Privatkonten transferiert zu haben. Außerdem soll er privat veranlasste Rechnungen in Höhe von knapp 14.000 Euro über die Parteikonten beglichen und 54.200 Euro in bar abgehoben haben. G. räumte die Vorwürfe im Wesentlichen ein.

"Ich muss gestehen, dass mein Handeln auch für mich selber heute schwer nachvollziehbar ist", sagte er vor Gericht. Vor Prozessbeginn hat G. sich zivilrechtlich mit den Grünen auf 65.000 Euro Schadenersatz geeinigt. Nach seinen Angaben hat er bislang 35.000 Euro überwiesen; nun soll er monatlich 1000 Euro abstottern.

Die Partei hat zudem ihre Konsequenzen gezogen: Ein strenges Vier-Augen-Prinzip soll künftig derartige Fälle ausschließen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: