Politische Reaktionen auf Pferdefleisch-Skandal:Lebensmittel müssen teurer werden

Bund und Länder beraten über Pferdefleischskandal

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU, rechts) und die hessische Verbraucherschutzministerin Lucia Puttrich stellen als Konsequenz aus dem Pferdefleisch-Skandal einen Zehn-Punkte-Plan vor. Doch der wird nicht viel bringen.

(Foto: dpa)

Ganz toll, wie die Verbraucherminister aus Bund und Ländern sich jetzt einen Zehn-Punkte-Aktionsplan zusammengestoppelt haben. Ein paar gute Vorschläge sind ja drin. Aber selbst wenn die Lobbyorganisationen ihn nicht wieder zu Fall bringen - es fehlen immer noch Kontrolleure, für die irgendjemand bezahlen muss.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler

Irgendwer muss irgendwann mal im Einführungskurs für Berufspolitiker gesagt haben, so ein Zehn-Punkte-Plan, das ist immer eine ganz tolle Idee. Da steckt Tatendrang drin und Dynamik. So ein Plan zeigt den Leuten: Oha, die meinen es wirklich ernst.

Jetzt haben sie es wieder getan. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) und ihre Amtskollegen aus den Länder haben an diesem Montagvormittag ein paar alte und neue Forderungen zusammengekratzt, aus denen sie einen "Zehn-Punkte-Aktionsplan" gebastelt haben. Der soll jetzt helfen, das Land vor einem neuen Pferdefleisch-Skandal zu bewahren.

Ein paar gute Ideen finden sich durchaus darin. Vor allem der Vorschlag, dass künftig durch Betrug eingefahrene Gewinne abgeschöpft werden sollen. Die derzeitigen Strafen von bis zu 50.000 Euro und drei Jahren Haft sind nämlich keine echte Abschreckung für die Panscher, Trickser und Vertuscher der Lebensmittelmafia - die verdienen mit ihrem Betrug, wenn es gut für sie läuft, Millionenbeträge. Sind aber die Gewinne weg, die ein Unternehmen zum Beispiel mit dem Einsatz von billigem Pferdefleisch statt teurem Rind gemacht hat, dann geht es an die Existenz.

Erst einmal "prüfen" und "optimieren"

Ob es tatsächlich soweit kommt, weiß niemand. Dieser und die neun weiteren Vorschläge sollen nun erst einmal "geprüft" und "optimiert" werden. Also: nichts Konkretes. Dieses Prüfen und Optimieren tut den Ministern nicht weh. Und der Industrie auch nicht. Sie hat noch fast jeden guten Vorschlag mit massivem Lobbydruck in der Versenkung verschwinden lassen - wie es zuletzt etwa bei der Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln der Fall war.

Erstaunlich aber ist, dass die Minister auf eine Idee offenbar gar nicht gekommen sind: Die Kontrollen zu verschärfen. Mehr Lebensmittelkontrolleure, das ist nicht erst seit Gammelfleisch- und Dioxin-Skandal eine längst überfällige Forderung. Bis zu 1000 Betriebe muss ein Kontrolleur in Deutschland betreuen. Von der Dönerbude über den Supermarkt bis zur Großbäckerei oder dem Fleischkonzern. Viel zu viel, um die gesetzlichen Mindestkontrollen einhalten zu können.

Es gibt durchaus Ansätze: Einige Länder haben die Zahl ihrer Kontrolleure um ein paar Dutzend aufgestockt. Wirklich verbessert hat das die Situation nicht.

Das Risiko, erwischt zu werden, ist zu gering

Geradezu entlarvend ist, wie die hessische CDU-Verbraucherministerin Lucia Puttrich, die gemeinsam mit Bundesministerin Aigner vor die Presse trat, die Frage nach mehr Kontrolleuren abbügelt: "Es geht nicht um die Quantität von Kontrollen, das muss jedem klar sein", sagte sie. Aufgedeckt würden solche Betrugsfälle nicht durch mehr Kontrollen. Sondern durch die Qualität der Kontrollen.

Interessanter Ansatz. Klar ist es wichtig, dass Kontrolleure wissen, wonach sie suchen. Darauf, in Lasagne nach Pferdefleisch zu fahnden, sind sie bisher einfach nicht gekommen. Höhere Strafen, Gewinnabschöpfung, breitere Kennzeichnungspflichten und veränderte Kontrollmethoden - das wäre alles gut, wenn es denn so käme. Nur nützt das nichts, wenn nicht genug Kontrolleure da sind.

Das Risiko, erwischt zu werden, ist einfach zu gering. Martin Müller, Chef des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure, fordert die Zahl der Kontrolleure von bundesweit 2500 auf bis zu 4000 aufzustocken. Dazu kommt ein zweites Problem: Die Lebensmittelkonzerne sind international aufgestellt. Für die Kontrollen aber sind die Landkreise zuständig. Es wäre gut, wenn eine Bundesbehörde die Kontrollen zentral steuern würde.

Schon heute bekommen manche Betriebe nur alle drei Jahre Besuch von den Lebensmittelüberwachern. Wäre doch schön, wenn diese dann wenigstens genug Zeit hätten für qualitativ hochwertige Kontrolle, und nicht nur für eine eher oberflächliche Stichprobe.

Das darf dann auch Geld kosten. Das Geld muss ja nicht von den Steuerzahlern kommen. Die Kosten könnten auch umgelegt werden auf die Lebensmittelindustrie. Die Anbauverbände der Bio-Landwirtschaft machen es vor: Produkte mit Gütesiegeln wie Bioland oder Demeter kosten mehr als die Billigkonkurrenz. Das liegt auch an den aufwändigen und strengen Kontrollen der Mitgliedsbetriebe durch die Verbände. Das Vertrauen der Verbraucher in diese Produkte ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht umsonst so hoch.

Ein durch die Industrie finanziertes, staatliches Kontrollnetz würde der konventionellen Lebensmittelproduktion sicher gut tun. Nur würde es dann keine Billig-Lasagne mehr für unter zwei Euro in der Tiefkühlbox geben können. Nicht nur, weil das Kontrollnetz teuer wäre. Sondern auch, weil sich darin dann kaum noch billiges Pferdefleisch unterbringen ließe.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: