Philipp Rösler: Machtwechsel bei der FDP:Der Neuanfang fällt aus

Philipp Rösler verliert seinen ersten Machtkampf als designierter Liberalen-Chef. Westerwelle macht das weiter, was er noch weniger kann als Parteichef. Protokoll eines völlig vermurksten Neustarts.

Thorsten Denkler, Berlin

Philipp Rösler begrüßt jeden mit Handschlag. Jedes Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion, jedes Mitglied in Parteivorstand und Präsidium, das sich im großen Protokollsaal auf der Präsidialebene des Bundestages zur gemeinsamen Sitzung eingefunden hat. Gut 150 Hände gilt es zu schütteln. Aber Rösler lächelt, schaut jedem in die Augen. Dann nimmt er Platz ganz hinten in der letzten Reihe. Er weiß, was sich gehört. Noch ist er nur Gesundheitsminister.

Es ist keine 15 Minuten her, da hat er ein paar Räume weiter im kleinen Kreis der Präsidiumsmitglieder seine Kandidatur für den Parteivorsitz bekanntgegeben. Das war keine Überraschung mehr.

Am Sonntagnachmittag hatten Guido Westerwelle, Daniel Bahr, Landeschef der NRW-FDP, und Generalsekretär Christian Lindner bei Westerwelle zu Hause zusammengesessen und kurz danach Rösler aus Hannover per Telefon dazugeschaltet. Lindner will lieber die Programmdebatte der Partei voranbringen als sich als Parteichef verheizen zu lassen. Da blieb nur Rösler. Er wusste, dass es auf ihn hinauslief. Gefreut haben soll er sich darüber nicht.

An diesem Dienstag ist Rösler nervös, das zeigt er deutlich. Vor der Präsidiumssitzung verläuft er sich, nimmt die falsche Tür, muss zurück und sich durch den Pulk von Kameras und Journalisten arbeiten, bis er endlich im richtigen Raum steht. Er übernimmt das Amt in einer schwierigen Lage. Die Partei ist verunsichert. So richtig weiß keiner, wie es weitergehen soll.

Auch die Art der Debatte hat manche verärgert. In der gemeinsamen Sitzung hagelt es Kritik für Parteivorstandsmitglied Jorgo Chatzimarkakis, der Westerwelle öffentlich einen "Igitt-Faktor" attestierte. Viele nehmen Westerwelle in Schutz. Teilnehmer berichten, dem scheidenden Vorsitzenden hätten Tränen in den Augen gestanden.

Jung gegen Alt gegen Neu

Wie aber soll es weitergehen? Es mit alten Rezepten noch einmal versuchen? Oder das Neue wagen? Das ist der Kampf, den auch Rainer Brüderle führt. Der Bundeswirtschaftsminister will sein Amt nicht aufgeben. Weil das Alte nicht schlecht ist, sondern nur besser verkauft werden muss.

Rösler aber würde das Amt des Wirtschaftsministers helfen, um als Parteichef glänzen zu können. Als Gesundheitsminister kann er nur Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen verkünden. Der designierte Parteichef wollte aber den offenen Streit mit dem Wirtschaftsminister nicht riskieren. Brüderles Truppen sind noch immer stark. Noch bevor er als Parteichef gewählt ist, verliert Rösler seinen ersten Machtkampf. Brüderle sitzt in der gemeinsamen Sitzung von Fraktion und Präsidium ganz vorne neben Christian Lindner und Guido Westerwelle. "Seht her, ich habe noch was zu sagen", lautet die Botschaft.

Im großen Protokollsaal bekommt der FDP-Abgeordnete Uwe Barth viel Applaus, als er sagt: "Wir dürfen verdiente Minister nicht über Nacht zur Persona non grata erklären."

Auch Birgit Homburger bleibt. Die Fraktionschefin ist eine "Fehlbesetzung". Das findet nicht nur ihr ärgster Kritiker Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein. Ihre Außenwahrnehmung ist verheerend, auch wenn anerkannt wird, dass sie die Fraktion zusammenhält.

Dass sie bleiben kann, hat sie nicht zuletzt den Jüngeren in der Fraktion zu verdanken. Die haben offenbar Angst vor der eigenen Courage. Gestern hat sich die 30 Köpfe zählende "Junge Gruppe" getroffen. Zuvor gab es noch Putschgerüchte. Es sollten Abwahlanträge gegen Homburger gestellt werden. Wäre es dazu gekommen, es wäre eng geworden für die Fraktionschefin.

Doch es kam nicht dazu. "Wir brauchen die erfahrenen Köpfe", heißt es jetzt. Damit wird ein System fortgesetzt, das bisher schon nicht funktioniert hat. Generalsekretär Christian Lindner verweigert sich jeder billigen Polemik auf Kosten der Opposition. Homburger müsste den Part übernehmen, kann es aber nicht. Ihre Reden im Bundestag sind Zeugnisse ihrer Unfähigkeit, sich pointiert und schlagfertig zu Wort zu melden.

"Wir haben ein Problem mit der Abteilung Attacke", sagt ein Fraktionsmitglied. Das müsse sich ändern, etwa indem Homburger nicht mehr in jeder wichtigen Debatte spricht.

Fraglich, ob das reicht, die FDP auf neuen Kurs zu bringen. Das Fazit an Tag zwei nach dem Rückzug von Guido Westerwelle: Der Posten des Parteichefs geht von Westerwelle auf Philipp Rösler über. Sonst ändert sich nichts. Rösler weiß offenbar, dass das nicht genug ist. In der Sitzung sagt er: "Meine Kandidatur kann nur der erste Schritt einer personellen Erneuerung sein." Westerwelle soll aber Außenminister bleiben. "Weil er ein guter Außenminister ist." Eine Position, mit der Rösler ziemlich alleine dasteht.

Damit behält Westerwelle das Außenamt, das er noch weniger kann als Parteichef. Rösler verliert seinen ersten Machtkampf und muss sich weiter mit Gesundheitspolitik herumschlagen. Problembär Brüderle bleibt Problembär in Amt und Würden und Homburger sorgt weiter beharrlich dafür, dass das Ansehen der Bundestagsfraktion in den Keller sinkt. Jetzt müssen Rösler und die andere Strategen an der Parteispitze nur noch erklären, warum sie das einen Neuanfang nennen.

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