Peter Altmaier und die Energiewende:Minister auf Irrfahrt

Peter Altmaier Energiewende

Wohin führt der Weg bei der Energiewende? Umweltminister Peter Altmaier im Sommer 2012 auf einem Windpark in der Nordsee

(Foto: dpa)

Umweltminister Peter Altmaier hat einen irrsinnigen Kurswechsel in Sachen Energiewende vollzogen. Das anfänglich von ihm als "identitätsstiftend" überhöhte Projekt reduziert er mittlerweile nur noch auf plumpe Kostenfragen. Das ist vor allem eins: populistisch. Und schürt unnötige Ängste.

Ein Kommentar von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Energiewende, so wirkte es lange, ist Peter Altmaier wie auf den Leib geschnitten. Kaum im Amt, ließ er sich auf der internationalen Bühne als "Mister Energiewende" feiern. Daheim nutzte er jede Gelegenheit, das Vorhaben zu überhöhen, bis hin zum "identitätsstiftenden Projekt" einer ganzen Generation. Die größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung, ach was, seit dem Wiederaufbau - kein Wort war zu groß für Altmaier, den klugen Kommunikator. Und jetzt?

Nun ist es demselben Peter Altmaier mit einigen wenigen Interventionen gelungen, sein schönes Projekt auf plumpe Kostenfragen zu reduzieren. Vorläufiger Höhepunkt ist die Billion, die der Umweltminister in die Welt gesetzt hat. Wenn nichts geschehe, werde die Energiewende bis 2040 eine Billion Euro verschlingen, warnt der Minister. Und plötzlich gleicht das Generationenprojekt einem Vampir, der die Bundesrepublik bis auf den letzten Tropfen aussaugen will. Und er, der Umweltminister, muss die Deutschen davor bewahren. Was für ein irrsinniger Kurswechsel.

Die Energiewende bringt den Deutschen auch etwas

Nicht, dass die Kosten der Energiewende egal wären. Ohne Zweifel muss das milliardenschwere Fördersystem über kurz oder lang gründlich reformiert werden. Ohne Zweifel werden auch teure Leitungen nötig, kosten Windparks, Solardächer und Bio-Kraftwerke einen Haufen Geld.

Aber mal ganz abgesehen davon, dass eine Modernisierung des angejahrten Elektrizitätssystems hierzulande ohnehin ansteht, erhalten die Deutschen für die Milliarden eben auch eine Gegenleistung. Die Energiewende macht Deutschland zur ersten Industriegesellschaft, die weder weitere Atomabfälle anhäuft, noch auf massive (und teure) Importe fossiler Energie angewiesen ist; die obendrein eine ökologisch wie auch ökonomisch plausible Antwort auf den Klimawandel findet. All das nennt sich auch gern: Investition in die Zukunft.

Lieber Populismus

Doch für derlei Differenzierung lässt Altmaiers Billion keinen Raum; sie schürt vor allem Ängste. Sie summiert Kosten, die sich kaum nachprüfen lassen, verschweigt aber deren Ertrag. Mehr noch: Altmaier erweckt den Eindruck, als triebe einzig und allein der Ausbau der Öko-Energien den Strompreis. Dabei hat das hohe Preisniveau hierzulande eine Menge mit mangelndem Wettbewerb, auch mit der Trägheit der Verbraucher zu tun. Nein, der Minister begibt sich sieben Monate vor der Bundestagswahl lieber auf den Pfad des Populismus. Wenn er sich da mal nicht verirrt.

Vermutlich unbeabsichtigt - und das macht es fast noch schlimmer - schwingt sich Altmaier so zum Advokaten all jener auf, denen die Energiewende zu weit geht. Seit Monaten schon betreiben Teile der Industrie eine subtile Kampagne gegen den Umbau, stets mit Verweis auf die hohen Kosten. Ab sofort können sie sich dabei nicht nur auf den FDP-Wirtschaftsminister, sondern auch auf den Bundesumweltminister berufen. Der Opposition dagegen schenkt Altmaier mit seiner Polemik einen willkommenen Vorwand, sich jeder Reformdebatte zu verweigern. Wie unklug.

Am Ende nur schöner Schein

So reiht sich der Vorstoß ein in eine Abfolge taktischer Ungeschicklichkeiten. Da wäre etwa das im Sommer verkündete "Zehn-Punkte-Programm", in dem Altmaier nicht nur konkrete Vorhaben für seine Amtszeit verschriftlichte, sondern auch noch penibel Fristen festlegte. Doch erst verstrichen die Fristen, jetzt zerbröseln nach und nach viele der Pläne.

Am Ende bleibt nur schöner Schein, wie etwa die ins Englische übersetzte Broschüre des Programms. Gespräche über eine Endlagersuche ließ er schleifen und gab so die greifbar nahe Einigung ohne Not preis; in Klimaverhandlungen verursachte er mit undiplomatischen Einlassungen über Europas Klimaziel Kopfschütteln. Für die Bilanz von "Mister Energiewende" ist das alles verheerend: Sie rutscht zusehends ins Minus.

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