Nordkoreas Atomtest:Kim, der Spieler

Das Regime in Nordkorea handelt nicht unberechenbar. Es handelt unverantwortlich. So berechenbar dieser Atomtest gekommen ist, so erwartbar sind auch die Reaktionen. Entscheidenden Einfluss auf Kim Jong Un können jedoch weder die mächtigen USA noch Europa nehmen. Die Einzigen mit Aussicht auf Erfolg sind die Chinesen.

Ein Kommentar von Reymer Klüver

Das Regime in Nordkorea wird gerne mit dem Attribut unberechenbar umschrieben. Das stimmt so nicht, jedenfalls nicht mehr. Tatsächlich ist das Land ziemlich berechenbar geworden in seinen Provokationen, die vor allem einem Ziel dienen: Der Welt und dem eigenen Volk die Macht des regierenden Kim-Klans zu demonstrieren. Das Regime in Nordkorea handelt nicht unberechenbar. Es handelt unverantwortlich.

Auch der jüngste Atomtest, der dritte Nordkoreas, kam nach Ansage. Schon seit Wochen war er absehbar. Nicht nur, weil die Vorbereitungen US-Satelliten nicht verborgen bleiben konnten. Vielmehr war nach ominösen Ankündigungen und der schrillen antiamerikanischen Propaganda der vergangenen Wochen klar, dass Kim Jong Un, der junge Diktator, den Erzfeinden in Seoul und Washington eine Botschaft zukommen lassen wollte.

Botschaft nach Seoul und Washington

Auch der Zeitpunkt war alles andere als zufällig gewählt: Kurz vor dem Amtsantritt der neuen Präsidentin in Südkorea, Park Geun Hye, und zum Tag, an dem US-Präsident Barack Obama das Regierungsprogramm für seine zweite Amtszeit verkündet, lässt es Kim Nr. 3 im wahrsten Wortsinn krachen. Inzwischen dürfte ziemlich deutlich sein, dass er noch mehr zu kraftmeiernden Gesten neigt als Vater oder Großvater. Auch die hatten ihr Atomprogramm und die Tests benutzt, um dem Süden Koreas und den USA sozusagen aus einer Position der Stärke heraus Wirtschafts- und Nahrungsmittelhilfe abzutrotzen. Inszenierung und Zeitpunkt der dritten Bombenexplosion Nordkoreas sprechen sehr dafür, dass auch Kim jr. das so halten wird.

So berechenbar dieser Atomtest also gekommen ist, so erwartbar dürften auch die Reaktionen sein. Regierungen rund um den Globus sind entrüstet - einschließlich der Freunde in Peking. Die USA werden im UN-Sicherheitsrat die Verschärfung bestehender Sanktionen verlangen, in einer neuen Resolution wird Nordkorea einmal mehr verurteilt werden. China wird dem nach einigem Zögern zustimmen. Grundlegend wird sich die Antwort auf den neuen Test nicht von der Antwort auf Test Nr. 2 unterscheiden.

Denn in Wahrheit hat der Test am Status quo in der Region und geostrategisch gegenüber den USA wenig verändert. Auch wenn es Kims Technikern gelungen sein sollte, ihre Bombe bei gleichbleibender Sprengkraft zu verkleinern - was sie behaupten und was eine Voraussetzung für die Ausstattung einer Rakete mit einer nuklearen Nutzlast wäre: Nordkorea ist weit davon entfernt, eine echte atomare Bedrohung für Amerika zu sein.

Warum ist der Test trotzdem gefährlich?

Und doch ist der Test hochgefährlich. Er zeigt, dass der junge Kim bereit ist, auf volles Risiko zu spielen. Nach den beiden Raketentests im April und Dezember ist es innerhalb nicht einmal eines Jahres schon der dritte eklatante Verstoß gegen ausdrückliche Verbote der Vereinten Nationen und eine Missachtung der Mahnungen seiner Schutzmacht China. Die eigentliche Gefahr aber ist, dass Kim sich verzockt und seine Provokationen aus dem Ruder laufen. Nicht mit einem Atomtest, sondern an der Grenze zu Südkorea. Dort könnte ein Konflikt schnell außer Kontrolle geraten.

Nordkorea beliefert Syrien und Iran

Doch das Atomprogramm hat noch eine dunklere Seite: die Proliferation. Nordkorea ist ein Rüstungsexporteur. Das devisenklamme Land versorgt mit Gusto Regimes wie die in Syrien oder Iran. Es gibt Spekulationen, dass Nordkorea bei diesem Atomtest mit Iran zusammengearbeitet hat und nukleares Wissen austauscht. Was würde einen Spieler wie den Diktator in Pjöngjang daran hindern, Iran oder anderen seine Kenntnisse und vielleicht sogar Material zu verkaufen?

In Wahrheit gibt es auf diese Frage bisher keine befriedigende Antwort. Die Einzigen, die mit Aussicht auf Erfolg eine suchen könnten, sind die Chinesen. 90 Prozent der nordkoreanischen Öleinfuhren laufen über China. Peking hätte Einfluss auf Kim - wenn es denn wollte. Bisher wollte es nicht. Internationalen Sanktionen hatte China zwar zugestimmt, die Versorgung Nordkoreas aber stillschweigend gesichert und die Waffengeschäfte geduldet. Peking missbilligt zwar das Bombenprogramm, Unruhen oder gar einen Kollaps des Regimes aufgrund wirtschaftlicher Not will es aber noch weniger.

Chinas Kalkül scheint sich in jüngster Zeit indes zu verschieben. Ein Pekinger Regierungsblatt sprach von einem "hohen Preis", den Nordkorea im Falle eines Atomtests zu zahlen habe. Man weiß nicht, wie sehr das Regime in Pjöngjang tatsächlich auf Druck aus Peking reagieren würde. Doch es ist an der Zeit, es auszuprobieren. Die Chinesen müssen Verantwortung übernehmen für ihren unverantwortlichen Nachbarn. Und sie müssen es jetzt tun.

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