Niederlage für Republikaner:Wenn Minderheiten die Mehrheit stellen

Die US-Wahl hat es überdeutlich gezeigt: Die Republikaner können in ihrem jetzigen Zustand keine Wahlen mehr gewinnen. Die Jungen, die Frauen, die Latinos, die Schwarzen und die Asiaten haben Obama gewählt. Für die Republikaner bleiben nur: die alten, weißen Männer.

Nicolas Richter, New York

Crowd dances to Stevie Wonder at the University of Cincinnati during campaign event

Für die Republikaner derzeit unerreichbar: Schwarze, Latinos und viele junge Frauen.

(Foto: REUTERS)

Mitt Romney erinnert manchmal an die Fernsehserie "Mad Men": Sie spielt in den Sechzigerjahren und erzählt von weißen Managermachos, deren Krawatten so gut sitzen wie ihre geölten Frisuren, und die sehr von sich und ihrem Erfolg vereinnahmt sind. So gesehen war es kein Kompliment, als der konservative Berater Matthew Dowd nach der Niederlage Romneys erklärte, die Republikaner seien mittlerweile "eine Mad-Men-Partei in einem Modern-Family-Amerika". In der Serie "Modern Family", die sich etwa die Obamas gern ansehen, geht es um das bunte, familiäre Chaos der Moderne, mit Weißen, Latinos, Schwulen, Jungen und Alten. Verglichen damit wirken die Mad Men sehr gestrig in ihrem ewigen Zigarettennebel.

Jetzt, da der Wahlkampf vorbei ist, erkennen die Republikaner das ganze Ausmaß ihrer Probleme. Die Grand Old Party, die Großartige Alte Partei, wie sie hier auch heißt, ist eine Partei weißer, alter Männer in einem Land, das immer weniger weiß ist. Landesweit haben 59 Prozent der Weißen Romney gewählt, aber er hat die Wahl verloren, weil Obama die Stimmen der Jungen, der Frauen, der Schwarzen, der Latinos und der Asiaten bekam.

Die Republikaner haben also ein strategisches Problem: Ihre Kernwählerschaft schrumpft, während die der Demokraten wächst. "Unsere Partei muss begreifen, dass sie zu alt und zu weiß und zu männlich ist", sagt der Konservative Al Cardenas, "und wir müssen uns der gesellschaftlichen Entwicklung anpassen, bevor es zu spät ist." Die Republikaner sehen sich in einer neuen, bedrohlichen Welt. Als seien die USA wie der Romantitel Cormac McCarthys: No Country for Old Men - kein Land für alte Männer. Jedenfalls nicht für alte weiße Männer.

Die Latinos zum Beispiel stellen inzwischen die Bevölkerungsgruppe, die am stärksten wächst, und je schneller sie wächst, desto weniger scheint sie sich für die Republikaner zu interessieren. Während George W. Bush im Jahr 2004 noch 44 Prozent der Latinos überzeugen konnte, erreichte Romney nur 27 Prozent. Bush und sein damaliger Berater Rove hatten begriffen, dass ihre Partei neue Wählergruppen erschließen musste. Den Latinos zuliebe wollte Bush als Präsident die Einwanderungspolitik reformieren, er scheiterte aber am Widerstand seiner Partei.

Es ist das Dilemma moderner Wahlkämpfe: Ist es besser, seine Basis maximal zu mobilisieren, indem man einen Lagerwahlkampf führt? Oder öffnet man sich für andere Gruppen und riskiert dabei, die Stammwähler zu enttäuschen? Die Republikaner sind seit dem ersten Wahlsieg Bushs im Jahr 2000 und noch mehr seit 2009 unter dem Einfluss der Tea Party zum Lagerwahlkampf zurückgekehrt. Dabei ist es so arrogant wie fahrlässig, die Interessen etwa der Latinos zu ignorieren. Matt Schlapp, ein früherer Berater George W. Bushs, sagt: "Die Hispanics gewinnen an Bedeutung, und wir müssen sie ernst nehmen - das gebieten schlichte Mathematik und moralischer Anstand."

Die Partei, die sich eine eigene Wirklichkeit schafft

Romney hat ein halbes Jahrzehnt um das Weiße Haus gekämpft, um die Latinos aber hat er sich kaum je gekümmert. Stattdessen ließ er sich im Vorwahlkampf eine Linie aufzwingen, die nicht die seine war: Um seine Partei von sich zu überzeugen, kündigte er eine härtere Haltung gegenüber illegalen Einwanderern an. Die Latinos haben ihm das übel genommen, weil sie mit den Illegalen fühlen, und zwar auch jene, die sich ansonsten im wertekonservativen Programm der Partei wiederfinden.

"Die konservative Bewegung sollte attraktiv sein für Minderheiten, die es nach oben schaffen wollen", sagt Marco Rubio, der Senator aus Florida, "wir müssen härter arbeiten denn je, um ihnen unsere Überzeugungen zu vermitteln." Rubio, 41, dessen Eltern aus Kuba stammen, gilt als Star seiner Partei, er könnte in vier Jahren für die Präsidentschaft kandidieren. Aber Leute wie er haben in diesem Jahr nicht das Erscheinungsbild bestimmt. Die Anmutung der Republikaner - sie ist mindestens so wichtig wie ihr Programm - war stattdessen nicht nur weiß und alt, sondern auch rigide, erbarmungslos und zeitweise bizarr.

Die Bilder, die in Erinnerung bleiben, sind Romneys Spenderdinner, bei dem er die schwachen 47 Prozent des Landes abschreibt, der kauzige Altstar Clint Eastwood, der polternde Geldgeber Donald Trump, der Senator Todd Akin, der darüber referiert, wie vergewaltigte Frauen durch bloße Willenskraft eine Schwangerschaft unterdrücken könnten. Es ist das Bild einer Partei, der durchschnittliche Wähler nicht nur fremd sind, sondern die sich ihre eigene Wirklichkeit schafft.

Das hat die Republikaner vor allem unter jungen und weiblichen Wählern Stimmen gekostet. Die 18- bis 44-Jährigen haben überwiegend Obama gewählt, und auch die Frauen sind auf Obamas Seite. Vor allem die Senatswahl hat bewiesen, wie sehr die verknöcherten, gar menschenverachtenden Ansichten ihrer Kandidaten den Republikanern geschadet haben: Der Abtreibungsgegner Todd Akin verlor gegen eine Demokratin. Der rechte Kandidat Richard Mourdock verlor sogar spektakulär, nachdem er gesagt hatte, Schwangerschaften nach Vergewaltigungen seien Gottes Wille.

Die größere Herausforderung liegt darin, dass dieses Geschwätz nicht mehr als Entgleisung Einzelner wahrgenommen wird, sondern als Mehrheitsmeinung der ganzen republikanischen Partei. "Wir haben ein bedeutendes Problem mit Wählerinnen", sagt John Weaver, ein Stratege der Republikaner. Äußerungen wie die von Akin und Mourdock "klingen nicht parteifremd, sondern als typisch für uns".

Die Erkenntnis aus dieser Wahl lautet also, dass sich die amerikanische Gesellschaft schneller verändert, als es die Republikaner können. Ihre Kompetenz in Wirtschaftsfragen wird anerkannt, ihre Sorge um die Staatsfinanzen geteilt, aber etliche Wähler fühlen sich abgestoßen von der rechten Haltung in Gesellschaftsfragen, im Umgang mit Verhütung, Abtreibung, Homosexuellen. Die Wähler in Maryland und Maine haben für die Homo-Ehe gestimmt, in Wisconsin haben sie eine bekennende Lesbe in den Senat geschickt. "Uns geht es wie den Dinosauriern", sagt der republikanische Stratege David Johnson. "Der Meteorit hat schon eingeschlagen."

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